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Madeline Stuart bei ihrem Auftritt am Sonntag auf der New York Fashion Week.

© Andrew Kelly/Reuters

New York Fashion Week: Mit Down-Syndrom auf dem Laufsteg

Madeline Stuart läuft heute als Model bei der New York Fashion Week. Behinderte Menschen sind in der Modewelt noch die Ausnahme - aber erfolgreich.

Am heutigen Sonntag geht für Madeline Stuart ein großer Wunsch in Erfüllung: Die Australierin wird über einen Catwalk der New York Fashion Week laufen. Diesen Traum teilt die 18-Jährige mit vielen Mädchen auf der ganzen Welt. Doch ist es etwas ganz Besonderes, dass es ausgerechnet die ansonsten eher schüchterne Madeline geschafft hat. Sie hat eine Genmutation, das Down-Syndrom.

Mit einer ersten Fotoproduktion vor einem Jahr unterstützte Roseanne Stuart, die früher selbst Model war, die Ambitionen ihrer Tochter. Auf Facebook waren die Bilder des Mädchens mit den langen roten Haaren ein riesiger Erfolg. Erste Modelaufträge und sogar eine eigene Kollektion für ein Handtaschen-Label folgten. Und jetzt der New Yorker Laufsteg.

Auch Designer Julian Zigerli gab Models mit Behinderungen ein Forum

Menschen mit Behinderungen auf den Brettern, die die Modewelt bedeuten? Das ist etwas Neues, fast. Die italienische Modeplattform "FTL Moda", für die Madeline Stuart am Sonntag laufen wird, setzte schon bei einer Modenschau im Februar Models mit körperlichen Behinderungen in Szene.

Auch der Designer Julian Zigerli gab dem bisher recht unterrepräsentierten Gespann "Mode und Inklusion" bereits ein Forum: Gemeinsam mit der Modemacherin Christa de Carouge ließ er seine Kreationen im Mai von Models mit und ohne Behinderungen vorführen. Die Veranstaltung hatte in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Werkheim Uster stattgefunden, einer Einrichtung mit Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit geistigen Behinderungen.

Genau wie bei Madeline Stuart kam auch hier der Anstoß von einer Klientin der Sozialinstitution. "Ihr Traum ist es, bei Germany’s Next Topmodel mitzumachen. Dafür wurde sie bisher meist belächelt", erzählt Zigerli, "Da kam uns schnell der Gedanke, warum das eigentlich so ist." Durch seine geistig behinderte Schwester, die im Werkheim Uster arbeitet, hat Julian Zigerli nicht nur Kontakt zur Einrichtung, sondern auch einen persönlichen Bezug zum Thema Inklusion. Doch auch unabhängig von seinem subjektiven Standpunkt sei die Modenschau ein großer Erfolg gewesen. "Die Stimmung, die Motivation, das war alles viel extremer als bei einer gewöhnlichen Modenschau", sagt er.

Aktion Mensch freut sich über solche Geschichten

Uli Jansen von der Aktion Mensch freut sich über solche Geschichten. "Wir verfolgen mit großem Interesse, dass die Einbindung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen immer selbstverständlicher wird", sagt die Pressereferentin der Sozialorganisation. Immerhin habe jeder zehnte Mensch eine Behinderung. Die sollen in öffentlichen Bereichen keinesfalls ausgespart werden. Tatsächlich macht die Inklusion von Menschen mit Behinderungen gerade in der modischen Inszenierung Sinn. Als Alltagsprodukt muss sich die Mode schließlich an alle richten, auch ein Rollstuhlfahrer will gut gekleidet sein.

In Deutschland gibt es bereits mehrere Models mit Behinderungen. Der Hamburger Mario Galla ist das prominenteste Beispiel: Das erfolgreiche Männermodel trägt eine Beinprothese. "Mario Galla selbst fordert die Öffentlichkeit immer wieder auf, ihn nicht auf seine Behinderung zu reduzieren, sondern auch darauf zu schauen, was er kann", sagt Uli Jansen von Aktion Mensch. Generell sei der Blickwinkel von Arbeitgebern viel zu oft auf mögliche Defizite gerichtet und müsse in eine positive Richtung justiert werden. "Im Fall von Madeline Stuart scheint die Modeszene das wahrgenommen zu haben und konzentriert sich auf die Schönheit und die Ausstrahlung dieser jungen Frau", sagt Jansen.

Bei Mario Galla hat es bestens geklappt

Bei Mario Galla hat das bestens geklappt: Wurde er anfangs häufig medienwirksam mit kurzen Hosen über die Laufstege geschickt, läuft er mittlerweile als völlig gleich gestelltes Mitglied der Modewelt über den Catwalk, auch in langen Hosen. Madeline Stuart hat diese Stellung, in der ihre Behinderung Nebensache ist, wohl noch nicht ganz erreicht: Das Mädchen mit dem Down-Syndrom wird die Schau am Sonntag eröffnen und als Erste über den Laufsteg laufen.

Besteht nicht die Gefahr, dass Menschen mit Behinderungen so für PR-Zwecke instrumentalisiert werden? Modedesigner Julian Zigerli sieht das nicht so. "Jedes Mädchen, das auf einem Plakat abgedruckt wird, ist doch letztendlich ein Instrument der Werbung", sagt er. Wenn es dabei um Menschen mit Behinderungen geht, sei das vielleicht ein empfindsames Thema, letztendlich würde Madeline Stuart aber dafür bezahlt, sich perfekt in Szene zu setzen. Eben wie jedes andere Model auch.

"Es ist doch gut, dass sich jetzt auch Menschen mit Behinderungen bewusst für diesen Schritt entscheiden können", sagt Zigerli. Eine Grenze müsse man nur ziehen, wenn Menschen zu Sensationszwecken ausgenutzt würden.

Madeline Stuart sieht ihre Zukunft auf dem Laufsteg

Ein gutes Maß dafür sei das Empfinden Außenstehender: "Auch als Betrachter fühlt man sich nicht wohl, wenn die gezeigte Person in irgendeiner Weise als Attraktion zur Schau gestellt wird." Uli Jansen möchte jede Entscheidung ganz den Models überlassen. "Ich glaube, nach möglichen Grenzen sollten Sie nicht die Aktion Mensch fragen, sondern lieber die Menschen mit Behinderungen selbst." Für Madeline Stuart ist die Antwort klar: Sie gehört auf den Laufsteg.

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