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Zu Fuß durch Manhattan: Der dritte Teil der zum Park ausgebauten Hochbahntrasse High Line wurde am Sonntag eröffnet.

© dpa

New York vor dem UN-Klimagipfel: Die Umwelt-Welthauptstadt

Ex-Bürgermeister Bloomberg wollte New York zum ökologisch nachhaltigen Vorbild verändern. Sieben Jahre ist das nun her. Und tatsächlich – der Big Apple hat sich neu erfunden. In Teilen zumindest.

Um das New Yorker Verhältnis zur Umwelt zu begreifen, genügt ein Rundgang durch den Supermarkt. Im Eingangsbereich stehen meist Recycling-Container, die Mülltrennung ermöglichen. Und die Regale, so will es der Trend, vollgepackt mit ökologisch hergestellten Lebensmitteln. Vor-bild-lich! Doch dann, bereits nach wenigen Minuten, wird es frisch an den Füßen, was an der Klimaanlage liegt, die die Kunden mit einer sündhaft-übertriebenen Kälte umhüllt. Fröstelnd ab zur Kasse, da schaut man nur kurz ins Portemonnaie, schon sind die drei Lebensmittel in gefühlt 30 Plastiktüten verschwunden. Ja, im Bio-Supermarkt konzentriert sich die Umwelt-Schizophrenie dieser Stadt. Am 23. September findet in New York der UN-Klima-Sondergipfel statt. Es könnte ein Meilenstein werden. Könnte. Die Staats- und Regierungschef der ganzen Welt wollen einen neuen Vertrag besprechen, der 2015 in Paris verabschiedet werden soll. Soll. Für Umweltschützer zu viel Konjunktiv, sie befürchten mit Blick auf vergangene Treffen, dass zwar viel besprochen und manches beschlossen – aber wieder einmal die globale Lösung der Probleme nicht konsequent forciert wird. Und eben genau so tickt auch die Gastgeberstadt dieses Gipfels: halbherzig grün.

127 Vorschriften und Vorsätze umfasste der Plan

Als der damalige Bürgermeister Michael R. Bloomberg 2007 den "PlaNYC" präsentierte, glich das dem Ausruf eines neuen Zeitalters. 127 Vorschriften und Vorsätze umfasste der Plan. "New York soll die erste ökologisch nachhaltige Stadt des 21. Jahrhunderts werden", sagte der Medienunternehmer und Multi-Milliardär damals und definierte gleichmal die Fallhöhe.
Die Welthauptstadt als Umweltvorbild für die Welt? Irgendwie ja logisch. Und zugleich arg verträumt, beim Blick auf die Business-Landschaft aus Glas und Stahl und das Verkehrschaos Manhattans. Sieben Jahre ist das neue Zeitalter nun alt. Die Handschrift des mittlerweile abgelösten Königs Bloomberg ist zu erkennen. Denn einige Vorhaben wurden umgesetzt.

Um den Verkehr zu entlasten, sind in der Stadt insgesamt rund 600 Kilometer Radweg gebaut worden. Auch das 2013 eingeführte Leihfahrrad-System ist mittlerweile etabliert: die blauen "Citi Bikes" sieht man an allen Ecken. New York ist noch nicht Kopenhagen oder Amsterdam, aber zumindest auf dem Weg dahin. Neue Parks wurden angelegt, prominentestes Beispiel ist die schicke High Line, eine begrünte Hochbahntrasse in der Lower West Side. 2009 eröffnet, hat sie heute mit über vier Millionen Besuchern mehr als das Empire State Building. Eine Million neugepflanzte Bäume hatte Bloomberg damals versprochen, mehr als 900.000 sind es bis heute. Dazu das immer stärker akzeptierte Verfahren der Mülltrennung. New York hat sich tatsächlich verändert.

"Bloombergs Plan war ehrgeizig. Aber man hat sofort gespürt, dass er es ernst meint", sagt US-Umweltexperte Peter Goldmark (73) dem Tagesspiegel. Goldmark war Klimachef der Organisation "Environmental Defense Fund" und Präsident der Rockefeller Foundation. Er lebt in Brooklyn und verfolgt den Wandel seiner Heimat seit Jahrzehnten. Einige Vorhaben Bloombergs seien durch politischen Widerstand gebremst worden. "Das angestrebte Maut-System hatte nie eine Chance, es war zum Scheitern verurteilt", sagt Goldmark. Auch die komplette Umstellung auf Hybrid-Taxis sei verhindert worden, weil Taxibetriebe sich gerichtlich wehrten. "Dennoch gibt es heute viel mehr Hybrid-Taxis als früher", erklärt Goldmark. In der Tat: 2011 war ein Drittel aller Taxis mit Elektromotor ausgestattet, 2014 sind es 60 Prozent.

New Yorker Verpackungswahn

Bloomberg hat seine Stadt zwischen Amtsantritt 2002 und Ablösung 2013 mit grünem Glanz bestrichen. Doch es scheint, als wäre der Eimer zu schnell leer gewesen. Der Glanz reichte nicht für alle Stellen. Und so ist es um manches Vorhaben, das laut angekündigt wurde, doch sehr still geworden. So sollte der Verpackungswahn – Plastiktüten im Supermarkt und Verpackungen von Lieferdiensten – gestoppt werden. Verändert hat sich kaum etwas. Das größte Dilemma sei laut Goldmark die fehlende Energiesanierung von Altbauten. "Es wird so viel Kraftstoff unnötig in die Luft geblasen, das ist der Treibhausgas-Faktor schlechthin. Und sich beim Wärmeschutz nur auf Neubauten zu konzentrieren, ist eben zu wenig", sagt er. Bestimmte Viertel hätte man durch Sanierungsprogramme aufwerten, den Arbeitsmarkt ankurbeln können, in dem man Anwohner für die Arbeiten engagiert. "Das hat Bloomberg nicht forciert", kritisiert Goldmark.

In bestimmten Viertel fehlt es nicht nur an Isolierfenstern. Vielmehr fehlt frische Luft. An wenigen anderen Orten in den USA ist die Anzahl der Asthmakranken so hoch wie in der Südbronx. Wieso, sieht man beispielsweise am Bruckner Boulevard. Mitten in einem Industriegebiet liegt dort, umrahmt von einer viel befahrenen Schnellstraße, einer Tankstelle und einer Autowerkstatt, ein Sportplatz. "Die Luft hier ist nicht die beste, sehr dünn, man spürt die Abgase nach einer Weile auf der Zunge", sagt der 22-jährige Elizah Medina, der auf dem Platz regelmäßig Fitnessübungen macht. "In der Bronx ist zwar einiges passiert. Aber sie ist in vielerlei Hinsicht immer noch der vergessene Stadtteil", sagt Goldmark. Auf die Leidenschaft seines Vorgängers für den Umweltschutz angesprochen, hat der jetzige Bürgermeister Bill de Blasio einmal von einem "großen Erbe" gesprochen. Für de Blasio wird die Kunst darin bestehen, Erfolgreiches weiterzuführen und Verpasstes nachzuholen. Das Erbe ist tatsächlich groß.

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