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Panorama: Nicht mit Geld allein

Mit reichen Männern haben Frauen häufiger einen Orgasmus, sagt eine britische Studie. Aber die Zusammenhänge sind kompliziert

Frauen, die mit reichen Männern zusammen sind, erleben häufiger einen Orgasmus. Das haben die beiden Evolutionspsychologen Thomas Pollet und Daniel Nettle in einer Studie herausgefunden. Die Forscher vom Centre for Behaviour and Evolution der britischen Universität Newcastle könnten mit ihrem Befund zur Beantwortung der Frage beitragen, welche evolutionsbiologische Funktion der weibliche Orgasmus hat.

Ihre Erkenntnis, die gerade von der Zeitschrift „Evolution and Human Behaviour“ online veröffentlicht wurde, entstammt der Analyse einer repräsentativen Studie, für die 5000 Chinesinnen und Chinesen über Gesundheit, Familienleben und Paarbeziehungen befragt wurden. „Die Autoren der Studie sind in Fachkreisen als seriöse Wissenschaftler bekannt und haben sich hier eines Themas angenommen, das zwar auf allgemeines Interesse stoßen dürfte, das man andererseits jedoch extrem schwer untersuchen kann“, urteilt der Psychologe Lars Penke, der bis vor kurzem an der Humboldt-Universität über Paarbeziehungen forschte und jetzt an der Uni Edinburgh arbeitet. Dass überhaupt Daten vorliegen, die eine Verknüpfung zwischen Geld und weib licher sexueller Zufriedenheit erlauben, ist schon ein Glücksfall. Ob sie sich auf Europa oder die USA übertragen lassen, bleibt die Frage. Die Aussagen zur Häufigkeit des Orgasmus sprechen dafür: Von den 1534 Frauen, die in einer Partnerschaft mit einem Mann lebten, berichteten 121 von regelmäßigen, 408 von häufigen Orgasmen. 234 der Befragten sprachen von „ab und zu“, 243 von „fast nie“. Wie groß Einkommens- oder Bildungsunterschiede zwischen den Partnern waren, spielte interessanterweise keine Rolle.

Die Beziehung zwischen Orgasmus häufigkeit und männlichem Reichtum blieb auch bestehen, wenn die Wissenschaftler „Störfaktoren“ wie Alter und Gesundheitszustand der Frauen oder Dauer der Beziehung herausrechneten, und sie lässt sich offensichtlich auch nicht auf Unterschiede in der allgemeinen Lebenszufriedenheit zurückführen.

Worauf aber dann? Ist männlicher Reichtum doch einfach „sexy“? Schon vor einigen Jahren hat schließlich eine Großuntersuchung des amerikanischen Psychologen David Buss ergeben, dass Frauen in fast allen Kulturen Lebenspartner mit Geld und Ehrgeiz bevorzugen. Sind reichere Männer zu allem Überfluss auch noch die besseren Liebhaber? Oder kommen Männer mit einem dicken Bankkonto und Frauen, die besonders leicht zum sexuellen Höhepunkt gelangen, überdurchschnittlich häufig zusammen?

Für die Befruchtung der Eizelle ist der weibliche Orgasmus keine notwendige Bedingung. Er könnte trotzdem dabei nützlich sein: Schon in den 60er Jahren lieferten Untersuchungen Hinweise darauf, dass Muskelkontraktionen der Vagina den Transport der Samenzellen effektiver gestalten. Gesichert ist das nicht.

Pollet und Nettle halten es für wahrscheinlich, dass der Orgasmus auf indirektem Weg für die Fortpflanzung nützlich ist: Er könnte für Frauen eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Partnerwahl darstellen, die aus evolutions biologischer Sicht letztlich immer der Erzeugung von Nachwuchs dient. Gerade im November haben sie eine Studie veröffentlicht, der zufolge bei britischen Männern – anders übrigens als bei den Frauen – mit wachsendem Einkommen auch der Reproduktionserfolg wächst.

Aus evolutionsbiologischer Sicht könnte es also durchaus einen Sinn haben, wenn Frauen nicht so einfach zum Orgasmus gelangen wie Männer. Nach Ansicht des Mediziners Tim Spector vom St. Thomas’ Hospital in London halten die Frauen damit einen Test für potenzielle Kindsväter in der Hand. „Dieser Theorie zufolge ist der Orgasmus ein evolutionärer Weg, mit dem man prüfen kann, ob Männer wahrscheinlich gute Versorger sein werden, die hingebungsvoll, geduldig und fürsorglich genug sind, um sich um Kinder zu kümmern.“ Wer in der Lage ist, eine Frau in einen Zustand zu versetzen, dass sie zum Höhepunkt kommt, verfügt damit auch in anderen Lebensbereichen über Fähigkeiten, die einen Vorteil versprechen, so lautet der Gedanke. Spector, der das umfangreiche britische Zwillingsregister nutzte, um eineiige und zweieiige weibliche Zwillingsschwestern über ihr Sexualleben zu befragen, kommt zu dem Schluss, dass Variationen im weiblichen Orgasmus erleben eine starke biologische Basis haben: „34 Prozent der Unterschiede sind genetisch bedingt.“

Das passt zu den Befunden, mit denen der italienische Sexualmediziner Emmanuele Jannini im letzten Jahr Furore machte. An der Universität von L’Aquila hat er per Ultraschall bei 20 Frauen nach dem G-Punkt gefahndet, einem vom deutschen Frauenarzt Ernst Gräfenberg zu Beginn der 50er Jahre entdeckten Gewebe zwischen Scheidenvorderwand und Harnröhre, das für den „vaginalen“ Orgasmus wichtig sein könnte. Er fand die Verdickung nur bei knapp der Hälfte der Frauen. Das letzte Wort über den sagenhaften G-Punkt ist mit dieser kleinen Untersuchung aber keinesfalls gesprochen.

Und auf jeden Fall bleibt das Thema vielschichtig, denn Gene beeinflussen nicht allein die Anatomie, sondern auch Hormone und Stimmung. Bei Frauen wie Männern. „Auch darauf, ob ein Mensch ehrgeizig ist und es zu großem Wohlstand bringt, haben genetische Konstellationen ihren Einfluss“, gibt Psychologe Lars Penke zu bedenken. Schon deshalb ist es unwahrscheinlich, dass das Liebesleben einer Frau aufregender wird, sobald ihr Partner im Lotto gewonnen hat.

Adelheid Müller-Lissner

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