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Zu Eis erstarrt sind angesichts der großen Kälte auch die Niagarafälle.

© Geoff Robins/AFP

Nordamerika gefrostet: Die "Wetterbombe" wütet in den USA und Kanada

20 Jahre nach dem „Eissturm“ von 1998: Grimmige Kälte liegt über Kanada, und die USA schlottern.

Viele Millionen Nordamerikaner erlebten ein Wochenende mit bitterer Eiseskälte. Vielerorts lagen die Temperaturen bei minus 30 Grad. Städte und Gemeinden öffneten zusätzliche Unterkünfte für Obdachlose. Nach einer ungewöhnlich langen Kältephase mit heftigen Schneestürmen, die als „Wetterbombe“ bezeichnet wird, hoffen Kanadier und Nordamerikaner nun auf mildere Temperaturen in den kommenden Tagen – mit „milden“ minus zehn Grad.

Die extreme Wetterlage sucht Zentral-Nordamerika und die Ostküste genau zwanzig Jahre nach dem katastrophalen „Eissturm“ vom Januar 1998 heim. Nach extremer Kälte rund um Weihnachten und Neujahr strömte Anfang Januar 1998 feuchte und warme Luft aus dem Golf von Mexiko nach Norden zum St.Lorenz-Strom. Zwischen dem 5. und 10. Januar ging über einem Zehntausende Quadratkilometer großen Gebiet immer wieder gefrierender Regen und Eisregen nieder. Unter der Last dicker Eisschichten rissen Hochspannungsleitungen wie Zwirn. Strommasten aus Stahl oder Holz brachen zusammen wie Streichhölzer. Binnen weniger Tage fiel für fünf Millionen Menschen in Zentral- und Ost-Kanada die Stromversorgung aus. Mindestens 30 Menschen kamen ums Leben – sie erfroren oder starben an Kohlenmonoxid, das von Gasheizungen ausströmte.

Je größer der Temperaturunterschied, desto stärker der Sturm

Nun macht den Menschen in dieser Region die „Wetterbombe“ zu schaffen, die sich seit Anfang Januar angekündigt hatte. Von „weather bomb“ und „bomb cyclone“ ist die Rede und Meteorologen versuchen, die „bombogenesis“, die Entstehung dieser „Wetterbombe“ zu erklären. Der Begriff sei Wetterforschern schon seit vielen Jahrzehnten bekannt, aber in diesem Jahr sei er durch die Verwendung in den Sozialen Medien schnell verbreitet worden, erläutert Geoff Coulson, Meteorologe beim kanadischen Umweltministerium. „Der große Unterschied in der Temperatur von zwei Wettersystemen führt zu diesen ,Wetterbomben’“, sagt Coulson. Die bitterkalte Luftmasse, die über dem Land liegt, stößt mit relativ milder Luft, die vom Ozean kommt und vor allem vom Golfstrom beeinflusst wird, zusammen. „Je größer der Temperaturunterschied, umso intensiver ist der Sturm. Dieser Gegensatz erzeugt einen gewalttätigen Sturm.“ Er äußert sich in Schnee, Regen, Eisregen und heftigem Wind mit Windgeschwindigkeiten von 120 oder mehr Stundenkilometern und erreicht damit die Stärke von Hurrikanen. Ein Charakteristikum dieser „Wetterbomben“ ist der dramatische Druckabfall. „In weniger als 24 Stunden haben wir einen Druckabfall von 24 Millibar“, sagt Coulson. Normal sei bei einem Wechsel von Hoch- zu Tiefdruck ein Druckabfall von fünf bis zehn Millibar über 24 Stunden. „Wenn dieser Druckverlust drastischer ist, dann kommt es zu diesen Wetterbomben“, erklärt Couson.

Der Mount Washington war kurz der kälteste Ort der Welt

In Kanada und den USA leben rund 100 Millionen Menschen seit Tagen unter einer Glocke eisiger Temperaturen. Bei gemessenen minus 20 bis minus 30 Grad führte der Wind zu gefühlten Temperaturen, die noch deutlich darunter lagen. In Kanadas Hauptstadt Ottawa lag am Samstag die gefühlte Temperatur, der „wind chill“, bei minus 40 Grad. Aus Vermont und Connecticut wurde ein „wind chill“ von nahezu minus 30 Grad gemeldet, in New York und Philadelphia bibberten die Menschen bei gefühlten minus 24 Grad. Der Mount Washington im US-Staat New Hampshire galt mit gefühlten minus 73 Grad und gemessenen Temperaturen nahe minus 40 Grad am Samstag zeitweise als der kälteste Ort auf der Erde. Selbst in Baltimore und Washington DC zeigte das Thermometer Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, 20 Grad unter den Normaltemperaturen für diese Tage.

Tausende Haushalte waren wegen des Wetters ohne Strom

In Kanadas Atlantikprovinzen waren Mitarbeiter der Energieversorgungsunternehmen pausenlos im Einsatz, um für Tausende Haushalte die Stromversorgung wiederherzustellen, die am Donnerstag und Freitag in einem heftigen Sturm zusammengebrochen war. Die Wetterdienste gaben Warnungen vor extremer Kälte heraus. In Toronto stellte Kanadas Militär Gebäude als vorübergehende Unterkunft für Obdachlose zur Verfügung. An den Niagarafällen bildeten sich vor allem an den Rändern dicke Eisschichten und formten eine bizarre Eislandschaft. Tausende Schaulustige kamen, um dieses seltene Schauspiel zu erleben.

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