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Panorama: Nur ihre Klischees sind echt

Es ist keine zwei Jahre her, da wählte die kolumbianische Tageszeitung "El Tiempo" die Popsängerin Shakira zu den 100 einflussreichsten Landsleuten des Jahrhunderts - in unmittelbarer Rangnachbarschaft zu dem Schriftsteller Gabriel Garcia Marquez und den Drogenbossen der Familie Eskobar. In ihrer Heimat füllte Shakira bereits Fußballstadien; sie galt als Vorbild all der jungen Latinas, die von einer Starkarriere träumen.

Es ist keine zwei Jahre her, da wählte die kolumbianische Tageszeitung "El Tiempo" die Popsängerin Shakira zu den 100 einflussreichsten Landsleuten des Jahrhunderts - in unmittelbarer Rangnachbarschaft zu dem Schriftsteller Gabriel Garcia Marquez und den Drogenbossen der Familie Eskobar. In ihrer Heimat füllte Shakira bereits Fußballstadien; sie galt als Vorbild all der jungen Latinas, die von einer Starkarriere träumen. In Europa kannten sie nur wenige.

Inzwischen ist die 24-Jährige nicht nur eine der populärsten Künstlerinnen Südamerikas. Ihr aktuelles Album "Laundry Service", ihr erstes in englischer Sprache, hat sich weltweit millionenfach verkauft, mit dem Song "Whenever, Wherever" steht sie seit fünf Wochen auf Platz Eins der deutschen Charts. "Sie besitzt eine unschuldige Sinnlichkeit", so sagte Gabriel Garcia Marquez über die Sängerin. "Niemand kann so singen und tanzen wie sie". Der Schriftsteller hat sich darum gerissen, Shakira, deren Name auf arabisch "die Dankbare" bedeutet, interviewen zu dürfen.

Nach ihrem Durchbruch in den USA und Europa bezeichnen die Medien Shakira nun als "Kolumbiens Antwort auf Alanis Morissette"; sie tun das vor allem deshalb, weil die Sängerin auf "Laundry Service" - neben einigen folkloristischen Klängen - Rockmusik spielt und in ihren Texten die Auseinandersetzung zwischen den Geschlechtern thematisiert. Aber der Vergleich ist unpassend. Shakira fehlt die Härte und Kompromisslosigkeit ihrer amerikanischen Kollegin - und nimmt es dennoch mit Spaß. In einem ihrer Songs sagt sie, dass sie sich für ihren Freund die Beine rasieren würde und sich sogar bereit erklärt, Küchenarbeit zu leisten.

Garcia Marquez ist begeistert von ihr

Seit Jahren schon berichten die kolumbianischen Zeitungen über jeden Schritt der Sängerin. Prominent ist Shakira Isabel Mebarak Ripoll, jüngstes von acht Kindern, Vater Libanese, Mutter Kolumbianerin, seit sie 13 ist. Damals veröffentlichte sie ihr Debütalbum. Heute juckt es die einheimischen Reporter vor allem dann, wenn Shakira mit ihrem Freund, Antonio de la Rua, dem Sohn des zurückgetretenen argentinischen Präsidenten, in der Öffentlichkeit auftritt. In der Vergangenheit hat de la Rua sich unbeliebt gemacht: obwohl sein Vater den Argentiniern einen strengen Sparkurs auferlegt hatte, leistete der Filius sich zusammen mit Shakira einen Luxusurlaub, den er von den Medien dokumentieren liess. Weil er nun in eine Schmiergeldaffäre verwickelt sein soll, ist seine Hochzeit mit der Sängerin erst einmal verschoben worden. Shakira selbst ist bisher nicht ins Kreuzfeuer geraten.

Erste Aufmerksamkeit in Nordamerika erlangte die Sängerin mit ihrem Album "Donde Estan Los Ladrones?" ("Wo sind die Diebe?"), das vor zwei Jahren erschien und von Emilio Estefan produziert wurde.

Estefan, ein Kubaner, der in Miami lebt, ist der erfolgreichste unter den sogenannten "Latin-Pop"-Produzenten: Anfang der Achtziger gründete der heute 46-Jährige die Discoband "Miami Sound Machine", setzte 70 Millionen Platten um und machte so seine Ehefrau und Bandsängerin Gloria Estefan zu der wohl bekanntesten Popsängerin, die Lateinamerika in dieser Dekade hervorbrachte. Vor ein paar Jahren erst entdeckte Estefan den Puertoricaner Ricky Martin - und machte auch ihn, den Gelegenheitsschauspieler und ehemaligen Sänger einer Boygroup, zu einem Sexsymbol und Millionenseller.

Wer sich in die Hände des Produzenten Estefan begibt, der wird für den US- amerikanischen Markt formatiert; die Künstler wenden sich traditionellen Musikelementen dann weitestgehend ab und singen fortan auf Englisch - der "Cross-Over"-Effekt setzt ein.

Auch Sony-Chef Tommy Mottola erkannte frühzeitig die Möglichkeiten, die sich für Shakira ausserhalb Südamerikas bieten würden. Mit "Sony Discos", einem Label, das sich auf den südamerikanischen Nachwuchsmarkt konzentriert, schuf seine Firma vor Jahren eine Beobachtungsplattform; von dort aus halten Manager Ausschau nach jungen Talenten, die für den Sprung in die USA bearbeitet werden können. Heute sind mit Ricky Martin, Jennifer Lopez und eben Shakira die größten Latin-Stars bei Sony unter Vertrag. "Ich werde alles tun, um sie an die Spitze zu bringen", sagte Mottola vor einem Jahr. Jetzt ist es so weit.

So hat auch Shakira für "Laundry Service" Veränderungen in Kauf genommen. Dafür gab es Kritik. Wenn ein Interviewer - und das passiert nicht selten - den Verdacht äußert, dass die Sängerin ihre naturbraunen Haare nur deshalb blondiert hat, um in den USA erfolgreich zu sein, wird sie sauer: "Schon die Frage ist eine Frechheit", sagte sie in einem Interview. Sie sei doch nicht so blöd zu glauben, dass Blondinen in den USA und Europa respektiert werden. "Das hat nichts mit Marketingentscheidungen zu tun". Was trotzdem nichts daran ändert: jetzt sieht sie genau so aus wie die Ex-Frau von ihrem Förderer Mottola, Mariah Carey.

Shakira, bekannt für ihre große Klappe, begründete eine ihrer Einzelgängermaßnahmen kauzig: sie sei zwar ein Teamplayer - "aber nur, solange das Team pariert".

Aussprüche wie "Ich würde die Anden erklimmen, nur um die Sommersprossen auf deinem Körper zählen zu dürfen" begeistern hierzulande. Mit Stolz verweist Shakira darauf, dass ihre Brüste klein sind, und auch dafür gibt es Schulterkopfen. Und doch passt sie in das Klischee der Pop-Latinas und Latinos: Export-Animateure zu sein, die lediglich dazu da sind, den anderen Nationen zeigen, wie man in Südamerika die Party schmeisst.

Sassan Niasseri

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