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Es war einmal. In den vergangenen Jahren machten die Italiener viel Geld mit ihrem Olivenöl. Dieses Jahr dürfte es nicht einmal für den Eigenbedarf des Landes reichen.

© IMAGO

Ölkrise in Italien: Die schlimmste Ernte seit Jahrzehnten

Die Olivenbauern in Italien haben ein Problem: Sie haben in diesem Jahr kaum etwas zu ernten. Nun warnt die Polizei schon vor Panschereien.

Es sind Zustände, wie man sie höchstens aus Erzählungen der Väter kennt. Oder der Großväter. So eine Missernte hat es in Italien schon lange nicht mehr gegeben. Wurden noch im Jahr 2013 464 000 Tonnen Olivenöl produziert, erwartet man dieses Jahr nur 302 000 Tonnen. Das ist ein Rückgang um 35 Prozent und deckt nur die Hälfte des Eigenbedarfs. Die landesweit erstellte Statistik verschweigt zudem allzu gnädig, dass in manchem toskanischen, manchem umbrischen Dorf in diesen Wochen praktisch gar kein Öl gepresst wird. Oder nur irgendein industriell verwertbares Zeug. Knapp wird das „olio extravergine“, das „grüne Gold“ Italiens. Die Preise schnellen auf Liebhaber-Höhe.

Schuld am Desaster sind das Wetter und die Ölfruchtfliege. Zuerst hat es der milde Winter erlaubt, dass mehr Fliegenlarven als sonst im Boden überlebten. Dann hat ein trockener Juni die Olivenblüten am Baum ausgedörrt. Von Juli an wurde es so tropisch feucht, dass sich die Olivenfliege breitmachte wie im Paradies – die von ihr zur Eiablage angebohrten Früchte vom Baum fielen zentnerweise. In vielen Dörfern sind nun sogar die traditionellen Herbstfeste abgesagt worden, bei denen auch die Olivenernte gefeiert wird.

In der Region Apulien, die zur nationalen Gesamtproduktion mehr als ein Drittel beisteuert, machen sich kriminelle Banden ans Abernten ganzer Olivenplantagen. Tanklaster werden auf dem Weg zu den großen Abfüllfirmen in Mittel- und Norditalien von der Polizei eskortiert. Und in den Logistikzentren der Branche, so warnt Italiens Forstpolizei, arbeiten „Gangster mit weißen Hemdkragen“ längst an Plänen, wie sie die Verbraucher hereinlegen können.

Nur Griechenland und Tunesien profitieren

Italien ist nach Spanien der zweitgrößte Oliven- und Ölproduzent der Welt. Aber das Wetter hat auch die Spanier übel erwischt. Die Einzigen, die 2014 erheblich mehr von den Bäumen holten als bisher, sind Griechenland und Tunesien. Aber italienisch auftretendes Öl verkauft sich entschieden besser, ist modischer, bringt mehr Gewinn. Nicht umsonst, so schreibt es das römische Forschungsinstitut Eurispes in seinem Bericht über die „Agromafia“, ist Italien auch der größte Ölimporteur der Welt.

Das heißt: hier wird umgeschlagen, umgefüllt, umetikettiert. In diesem Jahr, da Italiens Produktion weit unter dem Eigenbedarf von zwölf Kilogramm Öl pro Bürger bleibt, könnte noch mehr gepanscht und gefälscht werden als üblich, warnt die Polizei. Italien, so sagt es der Präsident des Bauernverbandes Coldiretti, Roberto Moncalvo, wird dieses Jahr doppelt so viel Olivenöl einführen wie es selbst herstellt. „Zwei von drei Flaschen italienischen Öls enthalten also ausländische Ware“, sagt Moncalvo.

Kritik an den Bauern

Die Landwirtschaftsbehörden sind mit den Olivenbauern allerdings nicht nachsichtig. Man habe dieses Jahr viel und rechtzeitig gewarnt vor der Fliege, sagen sie, aber „die Landwirte haben das auf die leichte Schulter genommen und die Bekämpfung unterlassen“. Unter Hinweis auf die typisch italienische, kleinräumige Struktur auch beim Olivenanbau – knapp zwei Drittel der Güter sind kleiner als ein Hektar – sagt die Agrarwissenschaftlerin Angela Canale: „Viele von den Klein- und Zuerwerbsbauern haben keine Ahnung, wie richtige Olivenkultur geht. Sie meinen das so machen zu können wie Opa und Oma und kapieren den Unterschied zwischen Hausgarten und Landwirtschaft nicht.“ In Italien teilen sich 775 783 Landwirtschaftsbetriebe insgesamt 250 Millionen Olivenbäume auf 1,16 Millionen Hektar Agrarfläche. 220 Firmen arbeiten in industriellem Umfang – viele sind im vergangenen Jahr von spanischen Konzernen aufgekauft worden.

Die Einzigen in Italien, die Grund zur Freude haben, sind die Bauern auf Sardinien. Sie konnten ihre Produktion mengenmäßig um ein Sechstel steigern. Es freut sich aber zumindest auch ein Großbauer in Kalabrien, an der italienischen Stiefelspitze. Dieser Pierluigi Taccone wird in der Zeitung „La Repubblica“ mit folgenden Sätzen zitiert: „Die Ölpreise sind dieses Jahr sicherlich hoch, aber nichts Besonderes gegenüber den Kosten, die wir als Landwirte haben. Man könnte sagen, zum ersten Mal kriegen wir einen gerechten Preis. Ideal wäre es, diesen auch in normalen Produktionsjahren zu halten. Unsere Öle verdienen das.“

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