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Blick auf das Katastrophengebiet.

© AFP

Ölpest im Golf von Mexiko: BP setzt auf russische Technik

Es scheint ein schier endloser Kampf gegen die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zu sein. Nun sollen Tiefseekapseln aus der Weltraumforschung gegen die Ölpest helfen.

Moskau - Angesichts der vielen Misserfolge beim Kampf gegen die Ölpest im Golf von Mexiko, wo seit der Explosion der Bohrplattform „Deepwater Horizon“ täglich riesige Mengen Öl ins Meer fließen, sucht der Energiekonzern BP jetzt Hilfe beim einstigen Klassenfeind aus Zeiten des Kalten Krieges: in Moskau.

Objekt britischer Begierde sind zwei russische Tiefsee-Tauchkapseln: MIR-1 und MIR-2. Die Kapseln sind ein Ergebnis der Weltraumforschung und wurden aus einer Legierung von meteorisiertem Edelstahl, Kobalt und Titan gefertigt. Sie können starkem Druck standhalten und in Tiefen von bis zu 6000 Metern vordringen. 7,8 Meter lang, 3,6 Meter breit und drei Meter hoch bringen es die 18,6 Tonnen schweren Kapseln fast auf die Maße von Mini-U-Booten. Neben dem Steuermann können sie zwei weitere Personen befördern, die durch Bullaugen aus bleiverstärktem Glas einen Blick in die Tiefsee werfen können.

Die Kapseln sorgten bereits im Sommer 2007 für Schlagzeilen: Um Moskaus Ansprüche auf Ölfelder in der Arktis Nachdruck zu verleihen, rammten sie direkt am Nordpol in einer Tiefe von 4621 Metern eine aus Titan gefertigte russische Flagge in den Meeresboden. Das alles geschah mit Hilfe eines Greifarms, der auch Proben sammelt. Er könnte auch für Reparaturen wie das Abdichten der lecken Ölleitung eingesetzt werden. Praktische Erfahrungen dazu gibt es bisher jedoch nicht. Jewgeni Tschernjajew, der Steuermann von MIR-1, signalisierte in den vergangenen Tagen zwar grundsätzlich Bereitschaft, bei der Bekämpfung der Ölpest zu helfen, macht dafür aber eine gemeinsame Expedition zusammen mit Fachleuten von BP zur Vorbedingung. „Wir können mit den Kapseln umgehen, die Briten haben die technische Dokumentation der Plattform und wissen, wie sich das Öl verhält“, sagte er dem US-Sender Radio Liberty.

Seinen Worten nach gibt es bisher jedoch nur inoffizielle Kontakte zu BP. Der Unglücksort liegt in US-Gewässern, die MIR-Kapseln können dort nur eingesetzt werden, wenn Washington sich dazu offiziell an die russische Regierung wendet. Erst nach Abschluss einer zwischenstaatlichen Vereinbarung könnten auch mit BP offizielle Verhandlungen beginnen. Ob die Regierung in Moskau dazu bereit ist, bleibt abzuwarten.

Zwar gehören die Kapseln und das Forschungsschiff „Akademik Mstislaw Keldysch“, auf dem sie stationiert sind, offiziell dem Institut für Ozeanografie der russischen Akademie der Wissenschaften. Eigentlich wurden sie jedoch für das Militär entwickelt und daher bisher nur einmal ins Ausland verliehen: Mit ihnen drehte „Titanic“-Regisseur James Cameron im Sommer 2003 die Unterwasseraufnahmen am echten Wrack des Luxusliners, das in 3803 Metern Tiefe im Nordatlantik liegt. Jetzt könnten die Umstände Russland dazu zwingen, einen zweiten Präzedenzfall zu schaffen.

Denn das Öl fließt ausgerechnet dort in den Atlantik, wo der Golfstrom entsteht, der warmes Wasser nach Norden pumpt. Teile des Öls – vor allem die schwereren Fraktionen – werden mitgerissen und könnten irgendwann auch das Nordpolarmeer erreichen, das die Nordküsten Skandinaviens umspült. Laut Modellrechnungen russischer Wissenschaftler könnte es schon im August dazu kommen. Unter ungünstigen Umständen würde das ausgetretene Öl wenig später die Westküste der russischen Eismeerinsel Nowaja Zemlja erreichen. Die Folgen für die supersensible Flora und Fauna der Arktis, wo niedrige Temperaturen das Wachstum extrem verlangsamen, könnten katastrophal sein.

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