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Eine Freiwillige reinigt den Strand am Ferienresort „Porto Busca Vida“. Lokale Anwohner versuchen, 2000 Kilometer Küste zu retten.

© Antonello Veneri/AFP

Ölpest in Brasilien: 2000 Kilometer Küste verseucht

Der Nordosten Brasiliens wird von einer mysteriösen Ölpest heimgesucht. Die Regierung bleibt untätig - und sucht die Schuld bei Greenpeace.

Ausgerechnet Greenpeace sollte zwischenzeitlich schon für das Desaster verantwortlich sein. Brasiliens Umweltminister Ricardo Salles beschuldigte die Umweltschutzorganisation, eine riesige Ölpest im Nordosten Brasiliens verursacht zu haben. Seit zwei Monaten wird dort Öl angeschwemmt, eine Küstenregion von rund 2000 Kilometern ist betroffen. Aber die Herkunft des schwarzen Teppichs ist immer noch nicht hundertprozentig geklärt, niemand weiß genau, wer die Ölpest verursacht hat.

Außer Ricardo Salles, der auf Twitter das Foto eines Greenpeace-Schiffs präsentierte, das Ende August vor der Küste Brasiliens gekreuzt sein soll, als die Ölpest begann. Dazu schrieb Salles vielsagend: „Es gibt schon Zufälle im Leben ...“ Brasiliens Medien warfen ihm daraufhin Inkompetenz vor. Er sei ein „Aufstachler im Kostüm eines Umweltministers“, schrieb die Zeitung „O Globo“.

Der Verursacher ist bisher unklar

Nun hat Brasília einen neuen Schuldigen, und diesmal könnte etwas dran sein an dem Verdacht. Ein griechischer Tanker namens Bouboulina soll das Öl auf seinem Weg von Venezuela nach Malaysia vor Brasiliens Küste verloren oder illegal ins Meer geleitet haben. Einen Beweis präsentierte die Regierung aber bislang nicht. Und die Reederei des Schiffs, die in Athen ansässige Delta Tankers, verneinte jede Verbindung zu dem Desaster. Der Tanker sei ohne Zwischenfälle an sein Ziel gelangt. Man habe bereits eine Untersuchung vornehmen lassen und dabei keinerlei Anzeichen für einen Ölverlust festgestellt. Die gesamte Ladung sei an ihrem Bestimmungsort gelöscht worden. Die Ölpest nimmt unterdessen fast wöchentlich dramatischere Ausmaße an. An rund 280 verschiedenen Orten wurde bereits Öl angeschwemmt, auf dem Meer werden immer neue Ölteppiche gesichtet. Das Öl bedroht die Mündungen großer Flüsse, etwa die des Rio São Franciscos. Es setzt sich in Mangrovenwäldern und auf Korallenriffen fest und gefährdet die Laichplätze von Fischen. Außerdem sind die Eierablageorte von Schildkröten sowie die Paarungsgebiete von Delfinen und Buckelwalen betroffen. Brasiliens nordöstliche Küste ist jedoch nicht nur ökologisch enorm wertvoll, sondern auch ein Touristenmagnet. Hier liegen Großstädte wie Recife und Salvador da Bahia. Es gibt charmante Dörfer und kilometerlange Postkartenstrände. Der nördliche Abschnitt der Region ist wegen seiner konstanten Winde bei Kite-Surfern aus aller Welt beliebt.

Die Regierung ist handlungslahm

Rund 2000 Tonnen Öl habe man bereits eingesammelt, geben Brasiliens Behörden nun bekannt. Dabei sind es vor allem freiwillige Helfer, die sich beim Säubern der Strände engagieren. Ganze Kleinstädte rücken mit Handschuhen, Harken und Mülltüten aus, um die Verunreinigungen zu beseitigen. Sie fürchten die Folgen für die Fischerei und den Tourismus. Eine Klage hört man von ihnen immer wieder: Brasília lässt uns alleine!
Tatsächlich hat die Bolsonaro-Regierung die Ölpest fast sechs Wochen lang ignoriert. Erst am 11. Oktober reagierte sie und aktivierte einen Notfallplan für die Eindämmung von Ölkatastrophen. Rund 5000 Soldaten wurden abgestellt. Böse Zungen wie die von Ex-Präsidentschaftskandidat Ciro Gomes behaupten nun, dass Jair Bolsonaro sich am „roten“ Nordosten rächen wolle, weil er hier bei den Wahlen keine Mehrheit bekam. Tatsächlich drohte der Präsident der armen Region bereits mit die Streichung von Bundesmitteln an.
Ein weiteres Problem dürfte darin liegen, dass Bolsonaro wenig übrig hat für die Natur und ihren Schutz. Er spricht von „Scheißbäumen“, wurde schon beim illegalen Fischen erwischt, will Großhotels in Naturreservate bauen und sagt, dass Umweltschutz den wirtschaftlichen Fortschritt bremse. Er ist daher konsequent von ihm, dass er Brasiliens Umweltbehörden radikal die Mittel gestrichen und ihre Spitzen mit Militärs besetzt hat. Zudem wurden unter Bolsonaros Ägide 50 staatlich-zivile Räte aufgelöst, in denen die Regierung sich mit NGOs beriet. Darunter waren ausgerechnet zwei Beiräte, die Notfallpläne für Erdöldesaster umsetzen sollten. Das Ergebnis der Kürzungen bekommt nun der Nordosten zu spüren. „Es ist die größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Brasiliens“, klagte etwa Paulo Câmara, der Gouverneur des Bundesstaats Pernambuco. „Aber nach mehreren Wochen wird immer noch improvisiert.“

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