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Panorama: Ohne einen  Notausgang

Fabrikbrand in Pakistan – 300 Arbeiter sterben.

Neu-Delhi - Es sind albtraumhafte Szenen, von denen die Überlebenden erzählen. Von Menschen, die bei lebendigem Leib verbrennen. Von Menschen, die hinter vergitterten Fenstern verzweifelt um Hilfe schreien, während hinter ihnen die Flammen lodern. Von Menschen, die in Todesangst aus Fenstern und von Dächern springen. Pakistan wurde am späten Dienstag vom wohl schwersten Industriebrand seiner Geschichte erschüttert.

Binnen weniger Minuten verwandelte sich eine Textilfabrik in der Wirtschaftsmetropole Karatschi in eine tödliche Feuerfalle. Fast 300 Arbeiter verbrannten oder erstickten an giftigem Rauch, die Bergungsarbeiten dauerten noch am Mittwochabend an. Insgesamt sollen sich 1500 Menschen in der Fabrik befunden haben. Weitere 25 Menschen kamen bei einem Brand in einer Schuhfabrik in der Stadt Lahore ums Leben.

Viele Menschen hätten sich vermutlich retten können, wären viele Fenster nicht vergittert gewesen und hätte es Notausgänge gegeben. „Wir waren gefangen“, erzählt der 29-jährige Liaqat Hussain, der mit Verbrennungen im Krankenhaus liegt, am Mittwoch Reuters. „Das Tor war geschlossen. Wir konnten nicht raus.“

Die Doppeltragödie in Karatschi und Lahore wirft ein Schlaglicht auf die erbärmlichen Sicherheitsvorkehrungen im Atomstaat und den oft menschenverachtenden Umgang mit Arbeitern in Südasien. Laut Behörden gab es keine Notausgänge in der völlig überfüllten Fabrik, Baumwolle und Chemikalien sollen Seite an Seite gelagert worden sein. Allein in der 20-Millionen-Einwohner-Stadt Karatschi gibt es 12 000 Fabriken. Doch viele missachten elementare Sicherheitsvorschriften, Behörden und Politik schauen weg.

Inzwischen fahndet die Polizei nach den Fabrikbesitzern, gegen die Anzeige erstattet wurde. Sie hatten das Gebäude offenbar so gegen Einbruch gesichert, dass die Arbeiter kaum fliehen konnten. „Die Besitzer sorgten sich mehr um ihre Textilien als um den Schutz der Arbeiter“, sagt der Beschäftigte Mohammad Pervez.

Noch am Morgen stiegen Rauchsäulen über der Fabrik im Viertel Baldia Town auf. Die Feuerwehr hatte 40 Wagen im Einsatz, doch es mangelte ihr zeitweise an Löschwasser. Die Ursache des Feuers in Karatschi war zunächst unklar. In Lahore war das Feuer offenbar ausgebrochen, als ein Generator Feuer fing, der Notstrom liefern sollte.

Pakistan steht wirtschaftlich am Abgrund. Stromausfälle von 20 Stunden sind Alltag. Viele Fabriken mussten bereits ihre Tore schließen. Andere betreiben teure Dieselgeneratoren. Die Textilindustrie ist einer der wichtigsten Arbeitgeber des Landes. 2011 verschiffte das Land Textilien im Wert von 13,8 Milliarden Dollar, hauptsächlich in die USA und nach Europa. Doch nun verlieren immer mehr Arbeiter ihre Jobs. In den vergangenen Monaten gab es immer wieder gewalttätige Proteste von Arbeitern, die der Regierung Versagen vorwerfen. Christine Möllhoff

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