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Bemüht sich um Haltung. Oscar Pistorius, sechsmaliger Paralympics-Sieger.

© dpa

Oscar Pistorius: Vorsatz oder Eifersucht?

Eine Woche vor Beginn des Prozesses gegen Oscar Pistorius werden Einzelheiten der Tat bekannt. Internationale Fernsehsender bereiten sich auf das Spektakel am 3. März vor.

Ein ganzes Land hielt den Atem an, als am Valentinstag vor einem Jahr bekannt wurde, dass der beinamputierte Leistungssportler Oscar Pistorius seine Freundin Reeva Steenkamp durch die geschlossene Badezimmertür seiner Wohnung erschossen hat. Für die Medien in aller Welt war die Geschichte der Stoff, aus dem Träume sind: ein behinderter aber fotogener Angeklagter, den ein ganzes Land wegen seiner sportlichen Großleistungen verehrt; eine bildhübsche und weithin beliebte Frau, deren verarmte Eltern hilflos zuschauten; ein Arsenal an Waffen, schnelle Autos, eine ins Schlingern geratene Beziehung, die am Valentinstag ihr tragisches Finale erlebte.

Ein Jahr später kommt es am 3. März nun zum Prozess gegen den einstigen Sport- und Volkshelden. Hunderte von Journalisten aus dem In- und Ausland werden dann in einem Medienspektakel über die Verhandlung in Pretoria und die zentrale Frage berichten, ob Pistorius mit Vorsatz und womöglich aus Eifersucht durch die verriegelte Tür schoss – oder ob es sich, wie seine Anwälte behaupten, um ein tragisches Versehen handelte und die Tat in der Annahme geschah, dass sich im Bad ein Einbrecher versteckt hatte.

Dass Oscar Pistorius auf seinen Beinstümpfen stand, könnte ihn entlasten

Jetzt ist ein Dokument aufgetaucht, das Pistorius möglicherweise entlastet. Ein von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes ballistisches Gutachten sei zu dem Schluss gekommen, dass der sechsmalige Paralympics-Sieger „sehr wahrscheinlich“ auf seinen Beinstümpfen gestanden habe und nicht auf seinen Prothesen, als er durch die Badezimmertür feuerte, berichtete der Nachrichtensender eNCA unter Berufung auf das Dokument der Anklagebehörde. Bestätigt sich der Bericht des Senders, wäre eines der Schlüsselargumente der Staatsanwaltschaft widerlegt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Pistorius seine damals 29-jährige Freundin nach einem Streit kaltblütig erschossen hatte.

Bei den Voranhörungen im vergangenen Jahr schilderten die Ermittler, wie Pistorius seine Unterschenkelprothesen angezogen und dann erst zu dem Badezimmer gegangen sein soll, in dem sich seine Freundin aufhielt. Der Ausnahmesportler leugnet nicht, seine Freundin erschossen zu haben. Er sagte jedoch aus, er habe sie für einen nächtlichen Einbrecher gehalten und sei in Panik geraten. Seine Prothesen habe er deshalb auch nicht angelegt.

Dass er den Polizisten nach seinen Schüssen sagte, es sei alles in Ordnung, spricht gegen ihn

Während die Analyse der Ballistiker die Darstellung von Pistorius tendenziell stützen könnte, spielen zwei weitere Details eher der Staatsanwaltschaft in die Hände: Dem Sender zufolge geht die Anklage davon aus, dass ein Wachmann der gesicherten Wohnanlage nach den Schüssen bei Pistorius angerufen habe, um nach dem Rechten zu hören – der Sportler soll gesagt haben, alles sei in Ordnung und Hilfe nicht nötig. Der Anklage liegt demnach eine weitere Aussage eines weniger als hundert Meter entfernt wohnenden Nachbarn vor, der in der Tatnacht die Schreie einer Frau gehört haben will.

Alle internationalen Nachrichtensender bereiten sich generalstabsmäßig auf den auf zwei Wochen angesetzten Prozess vor – fast so intensiv wie sie es vor kurzem auch auf den Tod von Nelson Mandela getan hatten. „In dem Gerangel um einen neuen Blick auf die Geschehnisse und frische Informationen dürfte die enge Grenze zwischen Qualitäts- und Unterhaltungsmedien wieder einmal weitgehend verwischen“, glaubt Anton Harber, Professor für Journalistik an der Universität Johannesburg und Mitbegründer der renommierten Wochenzeitung „Mail & Guardian“.

Die Anwälte von Oscar Pistorius wollen eine Direktübertragung des Prozesses verhindern

Zum ersten Mal soll es wegen des enormen Interesses sogar einen eigenen Fernsehkanal für das Ereignis geben. Am Tag vor dem offiziellen Prozessbeginn will der Bezahlsender Multichoice, der zum Imperium des südafrikanischen Medienkonzerns Naspers (Nasionale Pers/Nationale Presse) gehört und seine Programme nach ganz Afrika ausstrahlt, auf Frequenz 199 mit einem eigenen Kanal auf Sendung gehen, der 24 Stunden nonstop über das Schicksal des gefallenen Helden berichten soll. Leicht dürfte dieses Vorhaben schon deshalb nicht werden, weil zurzeit noch offen ist, inwieweit Fernsehaufnahmen und fest im Gericht installierte Kameras während des Verfahrens überhaupt zugelassen sind.

Die Anwälte von Pistorius wollen jedenfalls eine Direktübertragung des Prozesses verhindern. Der Gerichtspräsident der Provinz Gauteng, Dunstan Mlambo, will am Dienstag über das Anliegen entscheiden. „Warum kann das nicht wie jeder andere Prozess gehandhabt werden?“, wird der Anwalt von Pistorius, Barry Roux, von der Zeitung „Cape Times“ zitiert. Die Verteidigung fürchtet eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des 27 Jahre alten Südafrikaners.

Am Mittwoch hatten mehrere TV-Sender sowie andere Medien vor dem Obersten Gericht in Pretoria die Zulassung von Kameras, Mikrofonen und Fotoapparaten beantragt. Der Richter soll demnach jederzeit die Möglichkeit haben, die automatisch gesteuerten Kameras abzuschalten. Die Sender streben allerdings eine Audioübertragung für den gesamten Prozess an.

Wie schnell bei dem heutigen Nachrichtenbombardement eine Übersättigung des Publikums eintreten kann, hat gerade erst die tagelange Berichterstattung über den Tod von Nelson Mandela gezeigt, die wegen ihrer Intensität vor allem in Großbritannien zu zahlreichen Protestnoten der Fernsehzuschauer führten. Multichoice selbst verspricht zum Prozess einen bunten Mix aus Dokumentarfilmen, Porträts und Analysen. Das für das Vorhaben extra abgestellte Team ist harte Recherchen in jedem Fall gewohnt: Schließlich produzieren die Reporter des Programms Carte Blanche jede Woche für den Bezahlsender M-Net eine Investigativsendung – und dies seit über 25 Jahren mit anhaltend großem Erfolg und hohen Quoten.

Bis zum Prozessauftakt selbst wird die Partei des Angeklagten alles tun, um die Öffentlichkeit für sich einzunehmen. Erst letzte Woche hatte Pistorius in seiner ersten Twitter-Mitteilung seit der Tat mit viel Pathos geschrieben, dass ihn der Schmerz förmlich aufzehre und er den Verlust von Reeva und das Trauma jener Nacht für den Rest seines Lebens in sich tragen werde. (mit AFP)

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