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Panorama: Ozonloch über dem Mittelmeer

Eisige Kälte über dem Nordpol könnte die Lust an der Frühlingssonne verderben – obwohl weniger Treibhausgase verwendet werden

Kalt ist es in diesem Jahr geworden, bitterkalt. Atmosphärenforscher Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung in Potsdam erzählt nicht von minus zehn oder minus fünfzehn Grad, sondern von Temperaturen, die in diesem Winter mehr als einmal die minus Neunzig- Grad-Marke unterschritten haben: Fünfzehn bis zwanzig Kilometer über dem Nordpol. Während die Eisbären, die bei so niedrigen Graden erfrieren würden, unten auf der Erde unter steigenden Temperaturen durch den Treibhauseffekt leiden, die ihnen das Eis unter den Tatzen wegschmelzen, gibt die Kälte oberhalb des Nordpols Wissenschaftlern Anlass zur Sorge: Zum ersten Mal könnte hier dieses Jahr ein Ozonloch entstehen, das bis ans Mittelmeer reicht.

Während der Treibhauseffekt den unteren Etagen der Atmosphäre direkt über dem Erdboden einheizt, kühlt er paradoxerweise die oberen Stockwerke der Luft ab. AWI-Forscher Markus Rex erklärt das so: Kohlendioxid und andere Treibhausgase – deren Verbrauch auf der Erde zwar stark zurückgegangen ist, die aber noch in großen Mengen in der Atmosphäre schweben – fangen die aufsteigende Wärme ab und halten sie in den unteren Schichten der Atmosphäre fest. Deshalb erwärmt sich das Klima um so mehr, je mehr Öl, Gas und Kohle auf der Erde verheizt werden, bei deren Verbrennen Kohlendioxid entsteht. Wird die Wärme aber schon in den unteren Schichten festgehalten, fehlt sie weiter oben – und die Stratosphäre genannten höheren Etagen der Atmosphäre kühlen aus.

Der diesjährige Winter ist dort oben besonders kalt. Während Flugzeuge gegen minus 90 Grad Celsius noch gut isoliert sind, sorgen Markus Rex die tiefen Temperaturen: Je tiefer sie in der Stratosphäre über den Polen sinken, um so stärker kann die Ozonschicht angeknabbert werden. Das beobachten die Wissenschaftler seit zwanzig Jahren über der Antarktis, über der die Temperaturen deutlich niedriger als über dem nördlichen Eismeer sind. Dort verschwinden im Süd-Frühjahr im September regelmäßig zwei Drittel des Ozons fast schlagartig.

Während in der Antarktis aber nur Pinguine und sehr wenige, dick eingekleidete Wissenschaftler unter den UV-Strahlen leiden, die durch die ausgedünnte Ozonschicht auf den Boden dringen, könnte ein Ozonloch sich im Norden auch über dem dicht bevölkerten Mitteleuropa öffnen. Wichtigste Auslöser dafür sind die als FCKW abgekürzten chemischen Verbindungen, die früher als Kühlmittel oder Treibgase eingesetzt wurden.

In der Stratosphäre spaltet das ultraviolette Licht der Sonne aus ihnen so genannte Chlor-Radikale ab. Die zerstören Ozon sehr schnell, ohne selbst verbraucht zu werden. Fallen in der Polarnacht die Temperaturen in der Stratosphäre unter minus 78 Grad Celsius, bilden sich aus verschiedenen Substanzen winzige Flüssigkeitströpfchen oder Eiskristalle. Von der Erde kann man diese Teilchen als so genannte Perlmutt-Wolken sehen. Wissenschaftler nennen sie „polare Stratosphärenwolken“. Auf deren Oberfläche sammeln sich während der langen Polarnacht riesige Mengen von Chlor-Radikalen, die aus FCKW entstanden sind. Andere Chemikalien, die nach einiger Zeit die gefährlichen Chlor-Radikale wegfangen könnten, fallen bei extremer Kälte als Schnee zu Boden. Die ersten Strahlen der Frühjahrssonne aktivieren dann die Radikale wieder, die in einer Kettenreaktion sehr viel Ozon auf einmal zerstören. Das passiert jedes Jahr in der Antarktis – im Süden.

In diesem Winter lagen auch über dem Nordpol die Temperaturen wochenlang unter minus 78 Grad Celsius. Über einem Gebiet, das mit 15 Millionen Quadratkilometern beinahe so groß wie Russland ist, könnte ein großer Teil der Radikal-Fänger ausgeschneit sein. Bleibt es in der Höhe kalt, bis im März in der Arktis die Frühlingssonne zum ersten Mal wieder scheint, könnte auch im Norden die Kettenreaktion ungebremst bis zur völligen Zerstörung des Ozons ablaufen und zum ersten Mal ein Ozonloch bilden, das sich auf Grund der heftigen Luftströmungen dort sogar bis nach Griechenland ausdehnen könnte. Das könnte die Freude auf die erste Frühlingssonne kräftig schmälern.

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