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Papst Franziskus erklärt vor Journalisten seine Sicht von einer „verantwortungsvollen Elternschaft“.

© dpa

Papst Franziskus: „Nicht wie die Kaninchen“

„Manche glauben, es gehöre zu einem guten Katholiken, zu sein – Entschuldigung – wie Karnickel und Kinder in Serie zu machen. Nein!" Wie Papst Franziskus indirekt Verhütung gutheißt – ohne die reine katholische Lehre zu verletzen.

In die zur Erhabenheit neigende päpstliche Gestik hat Franziskus den Okay-Daumen eingeführt; auch sprachlich beschreitet er Wege, auf die sich keiner seiner Vorgänger gewagt hätte. Franziskus mag die hohen Lehr- und Leerformeln nicht; statt abgehoben und bis aufs letzte Komma dogmatisch korrekt zu theologisieren – drückt er sich nicht selten brutal aus. Ordensfrauen hat er aufgefordert, „wahre Mütter und nicht alte Jungfern” zu sein; der Kurie hat er „geistliches Alzheimer“ vorgeworfen. Der Beichtstuhl, sagt Franziskus, sei „keine Zollkontrolle“, wo Priester „mit dem Stock“ auf arme Sünder einschlagen könnten. „Und wenn du etwas gegen deinen Bruder hast, dann sag’s ihm ins Gesicht. Das endet vielleicht in einer Rauferei, aber das ist immer noch besser als der Terror von Klatsch und Tratsch.“

Die einwöchige, umjubelte Reise nach Sri Lanka und auf die Philippinen, von der Franziskus am Montagabend zurückgekehrt ist, wird gleich wegen zweier Höhepunkte der neuen päpstlichen Ausdruckskunst in Erinnerung bleiben. Als Journalisten den Papst auf das Attentat gegen die französische Satirezeitung „Charlie Hebdo“ ansprachen, da sagte Franziskus: „Natürlich darf man nicht mit Gewalt reagieren, aber“ – und er hob seine Hand gegen den vatikanischen Reisemarschall, der neben ihm stand – „aber wenn dieser Doktor Gasparri meine Mutter beleidigt, dann kriegt er es mit meiner Faust zu tun. Das ist doch normal, das ist doch menschlich verständlich. Es gibt Grenzen der Ausdrucksfreiheit. Man beschimpft meine Mutter nicht und den Glauben anderer Leute auch nicht”.

Bei der Frage zur Verhütung wurde er nicht direkt

Die zweite Perle war die mit den Kaninchen. Von einem Journalisten gefragt, was die Kirche zum riesigen Bevölkerungswachstum auf den zu 80 Prozent katholischen Philippinen, zu der womöglich daraus resultierenden Massenarmut und zum Einsatz von Verhütungsmitteln sage, antwortete Franziskus: „Manche glauben, es gehöre zu einem guten Katholiken, zu sein – Entschuldigung – wie Karnickel und Kinder in Serie zu machen. Nein! Es geht um verantwortungsvolle Elternschaft. Das ist das Schlüsselwort. Die Kirche verwendet es immer schon und ich auch.”

Und was hieße Verantwortung in diesem Fall? „Experten, glaube ich, erachten drei Kinder pro Paar für wichtig, um die Bevölkerungszahl stabil zu halten. Wenn sie sinkt, passiert das andere Extrem. In Italien zum Beispiel – hab ich gehört, ich weiß nicht, ob es stimmt – ist 2024 kein Geld mehr da für die Renten.“

Zur heiklen Frage nach Verhütungsmitteln sagte Franziskus nichts Direktes. „Gott gibt dir Mittel und viele, viele legitime Auswege“, dieser Satz war auf eine konkrete Katholikin gemünzt, die „sieben Kaiserschnitte hinter sich hatte und zum achten Mal schwanger“ war. Das habe er, Franziskus, eben nicht mehr für verantwortungsvolle Elternschaft gehalten und sie gefragt: „Wollen Sie etwa sieben Kinder als Waisen zurücklassen?“

Mit anderen Worten: Trotz neuartiger, auch drastischer Ausdrucksweise hat Franziskus in der Lehre nichts Neues vorgetragen. Die „verantwortliche Elternschaft“ findet sich schon in der berühmten Enzyklika „Humanae Vitae“ von Papst Paul VI. aus dem Jahr 1968. Auf diese geht auch die folgenreiche Unterscheidung zurück: Im Rahmen einer rationalen Familienplanung erlaubt ist die „natürliche“ Verhütung durch Ausnutzung der unfruchtbaren Tage im weiblichen Monatszyklus; verboten ist die „künstliche Behinderung des Zeugungsvorgangs“ durch Pille, Kondom, Spirale und Ähnliches. Paul VI. befand: „Das verletzt die sittliche Ordnung und muss deshalb als des Menschen unwürdig gelten.“

Die leidige Methodenfrage

Franziskus hält den im Oktober 2014 selig gesprochenen Paul VI. für „prophetisch“. Das bezieht er aber nicht auf die leidige Methodenfrage, in der sich unter Johannes Paul II. die Diskussion für mehr als ein Vierteljahrhundert festgefressen hat, sondern auf einen sozialpolitischen Aspekt, den er selber gerne als „Wegwerfkultur“ beschreibt. Schon Paul VI. hatte davor gewarnt: Erlaube man künstliche Mittel moralisch, könnten Regierungen auch versucht sein, sie gesetzlich anzuordnen. Ein solches Vordringen in das innerste Heiligtum von Ehepaaren wäre nicht nur illegitim. Viel schlimmer: Aus echter oder vorgeblicher Angst vor Lebensmittelknappheit – die sogenannte „Malthusianische Falle“ – könnten damit auch ganze Bevölkerungsgruppen allein ihres Wachstums oder anderer Unliebsamkeiten wegen zur Auslöschung verurteilt werden. Gerade die unteren, armen, ausgegrenzten Schichten wären damit den Mächtigen, ihrer materialistischen Sicht vom Menschen und ihrer egoistischen Politik noch stärker ausgeliefert.

Dieser Gedankengang ist es, der die Päpste Franziskus und Paul VI. verbindet. Ob sich die katholische Kirche in der Methodenfrage bewegt, wird sich frühestens im Oktober zeigen, beim zweiten, definitiven Teil der Welt-Bischofssynode zur Ehe- und Familienmoral.

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