zum Hauptinhalt

Papst-Predigt: "Schwerhörigkeit Gott gegenüber"

Papst Benedikt hat sich mit kritischen Worten über den Zustand des Glaubens an seine Landsleute gewandt. Bei einem Großgottesdienst forderte er die Deutschen auf, sich mehr auf die Bibel zu besinnen.

München - "Die katholische Kirche in Deutschland ist großartig durch ihre sozialen Aktivitäten, durch ihre Bereitschaft zu helfen, wo immer es not tut", sagte Benedikt in München vor 250.000 Gläubigen. Aber wenn es etwa um Projekte zur Evangelisierung gehe, herrsche in Deutschland große Zurückhaltung. Insgesamt beklagte der Papst eine "Schwerhörigkeit Gott gegenüber", die heutzutage bei den Menschen herrsche.

Die Gläubigen begrüßten den Papst bei seinem ersten Gottesdienst während seines sechstägigen Aufenthalts in Bayern mit anhaltendem Jubel und "Benedetto"-Rufen. Vor allem aus dem Freistaat nahmen Menschen an der Messe teil, aber auch aus dem übrigen Deutschland und mehr als einem Dutzend weiterer Länder. Nach offenbar erfolgreichen Appellen der Polizei, sich rechtzeitig auf den Weg zu dem Freigelände neben den Münchner Messehallen zu machen, blieb das befürchtete Verkehrschaos aus. "Es ging alles reibungslos und wunderbar", sagte ein Polizeisprecher.

Der Papst hinterfragte in seiner immer wieder von Applaus unterbrochenem Predigt den Zustand des Glaubens in Europa. "Wir können ihn einfach nicht mehr hören - zu viele andere Frequenzen haben wir im Ohr", sagte er zum Verhältnis der Menschen der westlichen Welt zu Gott. Dabei verwies er auf die Menschen in Afrika und Asien, die zwar die technischen Leistungen Europas bewunderten, aber zugleich davor erschreckten, wie dort Gott aus dem Blickfeld der Menschen ausgegrenzt werde. "Liebe Freunde! Dieser Zynismus ist nicht die Art von Toleranz und kultureller Offenheit, auf die die Völker warten und die wir alle wünschen. Die Toleranz, die wir brauchen, schließt die Ehrfurcht vor Gott ein."

Die "tiefen Ursachen" von Aids

Der Papst forderte die Deutschen auf, sich wieder auf das Evangelium zu besinnen. "Offenbar herrscht da doch bei manchen die Meinung, die sozialen Projekte müsse man mit höchster Dringlichkeit voranbringen; die Dinge mit Gott oder gar mit dem katholischen Glauben, die seien doch eher partikulär und nicht gar so wichtig." Das Soziale und das Evangelium seien aber nicht zu trennen, mahnte der Papst. Dabei nannte er die Immunschwächekrankheit Aids, die von "ihren tiefen Ursachen her" nur über eine Besinnung auf die moralischen Maßgaben von Jesus Christus bekämpft werden könne.

Zugang zu dem Gottesdienst bekam nur, wer sich im Vorfeld eine kostenlose Einlasskarte beschafft hatte. Nach Auskunft der Erzdiözese konnten nicht mehr als die 250.000 Anwesenden zugelassen werden, vom Interesse her hätten auch doppelt so viele Karten vergeben werden können. Viele der Anwesenden nahmen große Strapazen für den Gottesdienst auf: Sie brachen mitten in der Nacht auf, um noch rechtzeitig in die Nähe des Geländes zu kommen. Nach teils bis zu zweistündigen Fußmärschen mussten sie dann stehend oder auf dem Boden hockend ausharren, da außer für Ehrengäste und behinderte Menschen keine Sitzgelegenheiten vorhanden waren.

Joseph Ratzinger hält sich für sechs Tage in seiner bayerischen Heimat auf, um Stationen aus seiner Zeit als junger Priester und späterer Theologie-Professor und Kardinal zu besuchen. Außer in München will er noch in Altötting und Regensburg öffentliche Großgottesdienste zelebrieren. (tso/AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false