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Marius Retka, Daniel Stiegert, Karoline Roß, Markus Winzer

© Philipp Lichterbeck

Papstbesuch und Weltjugendtag: Berliner in Rio

Zum Weltjugendtreffen in Rio sind auch Berliner gereist. Was erwarten sie?

Als der Papst endlich im Papamobil vorfährt, lassen sich auch die Berliner mitreißen. Etwas abgeklärt hatten sie anderthalb Stunden lang auf einem begrünten Hang gegenüber von Rio de Janeiros Kathedrale gesessen und auf Franziskus gewartet. Die Straße vor dem kegelförmigen Kirchenbau hatte sich unterdessen mit singenden und jubelnden Pilgern aus Südamerika gefüllt: Argentinier, Chilenen, Peruaner und natürlich Brasilianer – alle leicht zu erkennen an den Landesfahnen, die auf dem katholischen Weltjugendtag in Rio de Janeiro so etwas wie Visitenkarten sind.

Der Papst selbst war am Montagnachmittag in Rio gelandet, um den WJT, wie er kurz heißt, einzuläuten. Eigentlich sollte er laut Protokoll direkt vom Flughafen in Rios Gouverneurspalast fliegt, um dort Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff zu treffen. Doch Franziskus setzte kurzfristig andere Prioritäten: Zuerst, entschied er, will ich im offenen Papamobil durch die Stadt fahren und die Menschen begrüßen. Ein Alptraum für die Sicherheitskräfte, ein Ereignis für die Pilger.

Unter ihnen sind auch 23 junge Berliner, die mit der Diözese eine Bistumsfahrt machen, betreut von Pfarrer und Seelsorger Ulrich Kotzur und zwei Jugendreferenten. Zehn Tage haben sie bereits bei katholischen Gastfamilien in der Stadt Diamantina im brasilianischen Hinterland verbracht. Nun sind sie eine Woche in Rio – und wohnen auch hier bei Einheimischen. „Diese Gastfreundschaft ist unglaublich“, sagt der 19-jährige Marius Retka aus Kreuzberg, „so was gibt’s in Deutschland nicht“.

In Diamantina lebten die Berliner bei einfachen, armen Menschen, die weder Englisch geschweige denn Deutsch sprechen. Von den Berliner kann wiederum keiner Portugiesisch. „Wir haben uns per Google-Translator verständigt“, erzählt Karoline Roß aus Neuruppin. „Meine Gastmutter hat sogar versucht, nachts Deutsch zu lernen.“ Trotz der Kommunikationsprobleme wollten die deutschen Pilger am Schluss gar nicht mehr weg aus Diamantina, 800 Kilometer nördlich von Rio. „Beim Abschied floss ein Meer aus Tränen“, sagt Abiturientin Roß.

Vielleicht erklärt die emotionale Erfahrung vom Vortag auch, warum die Gruppe den neuen Papst an diesem Nachmittag gar nicht so wichtig findet. „Es würde genauso viel Spaß machen, wenn er nicht käme“, meint Markus Winzer aus Görlitz, von wo vier der Pilger stammen: „Es geht um die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Um die Erfahrung, dass die katholisch Kirche eine Weltkirche ist.“ Karoline Ross ergänzt: „Der Kirchentag ist für mich wie nachhause kommen. In Neuruppin fühle ich mich wie in der Diaspora, aber hier spüre ich, dass ich als Katholikin nicht alleine bin.“

Der neue Papst mag ihnen gerade nicht so viel bedeuten – doch auch die drei jungen Gläubigen finden Franziskus „erfrischend anders“, „natürlich“ und „bescheiden“. Der 28-jährige Daniel Stiegert mischt sich ins Gespräch ein. „Der Papst ist auch wichtig, weil er der ganzen Veranstaltung hier ein Gesicht gibt“, erklärt der Moabiter. Einig sind sich alle, dass Franziskus „die Kirche aufräumen“ muss, nach all den Skandalen.

1700 Euro hat jeder der Jugendlichen für die knapp dreiwöchige Reise gezahlt, die vom Bistum Berlin bezuschusst wurde. In Diamantina sollten die Pilger beim Aufbau der kirchlichen Therapieeinrichtung für Drogenabhängige Fazenda da Esperança mithelfen (der Baubeginn wurde dann kurzfristig verschoben). In Rio möchten sie sich nun vor allem der Katechese widmen, die täglich von deutschsprachigen Bischöfen angeboten wird.

Als Franziskus dann endlich an Rios Kathedrale vorbeifährt (er ist verspätet, weil sein Wagen auf dem Weg vom Flughafen einen falschen Weg genommen hatte und von Gläubigen dicht umringt worden war), springen auch die Berliner auf, schwenken Deutschlandfahnen, winken und machen Fotos. Einige stimmen in den Gesang der Brasilianer mit ein: Essa é a juventude do Papa! – Dies ist die Jugend des Papstes.

Nach fünf Minuten ist Franziskus wieder weg und die Berliner Gruppe läuft zum Bahnhof, wird noch von Venezolanern aufgehalten, die Fotos mit den Deutschen machen wollen. Von den Krawallen vor dem Gouverneurspalast kurz darauf kriegen sie nichts mehr mit.

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