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Partnerwahl: Wer’s leiden mag

Helma Orosz, die neue Oberbürgermeisterin von Dresden, klagt öffentlich über ihre schwierige Partnersuche. Es gibt zu wenig Männer, die mit erfolgreichen Frauen zusammen sein wollen, sagt sie.

Auf den ersten Blick scheint diese Frau alles zu haben, was das Leben an Vielfalt bieten kann: Gerade wurde die 55-Jährige gebürtige Görlitzerin zur neuen Oberbürgermeisterin von Dresden gewählt. Helma Orosz, die attraktive, schick gekleidete, körperlich fitte und sportbegeisterte Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt, ist gelernte Krippenerzieherin und hat nach einem Studium der Verwaltungsbetriebswirtschaft in der sächsischen CDU eine rasante Karriere gemacht. Privat freut sie sich nach eigenen Aussagen über Tochter, Enkelkind, Freundeskreis und einige sportliche Hobbys – nicht jedoch über den Mann fürs Leben. Nach einer Scheidung und einer Trennung vom langjährigen Partner klagt die Politikerin in der heutigen Ausgabe der „Bunten“ statt dessen öffentlich: „Es gibt Tausende von Frauen, die ihren Männern in gehobeneren Positionen den Rücken stärken, leider aber nur wenige Männer, die Gleiches tun.“

Endlich spricht eine Frau das Thema öffentlich an. Frauen in hohen Positionen haben es schwer, einen Partner zu finden. Weil die Männer nicht mitmachen.

Ein Stoßseufzer, den Paartherapeuten in allen Teilen der Republik täglich hören. Während es für Frauen heute durchaus erstrebenswert sei, Männern „auf gleicher Augenhöhe“ zu begegnen, hätten viele Männer eher Probleme mit erfolgreichen Frauen, ist die Erfahrung der Berliner Paartherapeutin Monika Häußermann.

Auch dem Arzt und Psychotherapeuten Stefan Woinoff, dessen Praxis im Münchner Viertel Schwabing liegt, ist aufgefallen, dass in den letzten Jahren immer mehr erfolgreiche und gut verdienende Frauen in seine Praxis kämen, die alle mit dem gleichen Phänomen kämpfen: Sie finden nicht den passenden Partner.

Für Woinoff Grund, sich für das offenbar immer größer werdende Problem zu interessierten: Er schrieb das Buch „Überlisten Sie Ihr Beuteschema. Warum immer mehr Frauen keinen Partner finden und was sie dagegen tun können.“ „Es gibt definitiv noch wenige Männer, die dazu bereit sind, einer Karrierefrau den Rücken zu stärken“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Er bestätigt damit die Aussage der Dresdner Oberbürgermeisterin.

Tatsächlich hört man wenig von ihnen: Männer, von denen man weiß, dass sie für das berufliche Fortkommen ihrer Frau bereit sind, einen guten Teil der familiären Pflichten zu übernehmen. So, wie es beim Journalistenpaar Petra Gerster und Christian Nürnberger oder bei Familienministerin von der Leyen der Fall zu sein scheint. Aber das sind Ausnahmen.

Wenn Frauen über das mangelnde familiäre Engagement ihrer Partner klagen, müsse man gerechterweise allerdings auch nach der Ausgangssituation fragen, in der das Paar sich kennen und lieben gelernt hat, sagt Woinoff. „Wo eine Frau bei der Partnerwahl dem archaischen Beuteschema gefolgt ist und sich einen überlegenen Mann gesucht hat, die Rollen sich aber später umkehren, da muss man sich nicht wundern, wenn das nicht gut geht.“ Im schlimmsten Fall sei einer solchen Beziehung sozusagen die Geschäftsgrundlage entzogen.

Der Therapeut warnt davor, „nur den Männern den Schwarzen Peter zuzuschieben“. Denn Männer, die bereit wären, in Haushalt und Kindererziehung den Löwenanteil der Aufgaben zu übernehmen oder gar ganz zu Hause zu bleiben, „die sind nicht unbedingt der Renner auf dem Heiratsmarkt“. Viele Frauen wollen zugleich einen Mann vorzeigen können, der beruflich etwas hermacht. Sie wollen einen Mann mit höherem beruflichen Status und wirtschaftlichen Möglichkeiten. Auch starke Frauen finden den in dieser Hinsicht überlegenen Partner attraktiv. So kommen bei den Männern reichlich verwirrende, widersprüchliche Botschaften an: „Viele Frauen suchen das Alphatier – und das soll ihnen selbst dann für ihren eigenen beruflichen Aufstieg den Rücken freihalten.“ Unter diesen Umständen sei es nicht erstaunlich, wenn Männer Angst hätten, sich mit einer beruflich erfolgreichen Frau einzulassen. „Wir brauchen ja so schon ein großes männliches Selbstbewusstsein, um uns über andere Dinge als den beruflichen Status zu definieren.“

Der Psychotherapeut, der Frauen wie Männer ermuntern will, in der Partnerwahl auf alte Rollenklischees zu verzichten und ihr Glück stattdessen auf neuen Wegen zu finden, hat zum Schluss noch einen Tipp für die Single-Politikerin parat: „Ich wette“, sagt er, „wenn eine so erfolgreiche Frau zum Beispiel in einer polnischen Zeitung eine Anzeige aufgeben würde, in der sie sich als gut situierte Frau aus Deutschland beschreibt, die einen intelligenten, liebevollen 50-jährigen Partner sucht, gern auch ohne Job, dann würde sie sicher Bewerber finden, die tatsächlich gut für sie sind.“

Adelheid Müller-Lissner

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