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Bewohner aus Dörfern in Sachsen-Anhalt wurden mit Hubschraubern evakuiert.

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Update

Pegel sinken, Gefahr bleibt: Hochwasser: Helfer kämpfen, Ministerpräsidenten tagen

Es ist noch nicht vorbei, auch wenn vielerorts die Pegelstände sinken: Der Kampf gegen das Hochwasser geht weiter. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin geht es heute um Fluthilfen. Sogar eine Erhöhung des Solidaritätszuschlags ist im Gespräch.

Das Hochwasser hat vielerorts seinen Höhepunkt erreicht, doch die Gefahr von Deichbrüchen bleibt, berichtet die Nachrichtenagentur dpa am Donnerstagmorgen. Unermüdlich sind die Helfer im Kampf gegen die Wassermassen im Einsatz. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin am Donnerstag sind Fluthilfen ein Thema.

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff hat vorab eine Erhöhung des Solidaritätszuschlags ins Gespräch gebracht, um den Wiederaufbau nach der Hochwasserkatastrophe zu finanzieren. Beim Flutgipfel am heutigen Donnerstag bei Bundeskanzlerin Angela Merkel werde er “eine auf ein Jahr befristete Erhöhung des Solidaritätszuschlages um einen bis anderthalb Prozentpunkte als eine denkbare Lösung vorschlagen“, sagte Haseloff der “Mitteldeutschen Zeitung“. Mit den Mitteln solle der Länderanteil an den Kosten für den Wiederaufbau ersetzt werden. Die Länder seien nicht in der Lage, die Milliardensummen ohne neue Schulden zu stemmen. Dies wolle er vermeiden.

Merkel berät im Laufe des Tages mit den Ministerpräsidenten der Länder. Geplant ist die Einrichtung eines Fluthilfe-Fonds, der nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters mindestens acht Milliarden Euro umfassen soll. Die Summe sollen sich Bund und Länder je zur Hälfte teilen, wie aus Koalitionskreisen verlautete.

In den Flutregionen der Elbe fielen die Pegelstände in der Nacht zum Donnerstag fast überall weiter. In Hitzacker in Niedersachsen lag der Wert am frühen Donnerstagmorgen knapp unter acht Metern - am Abend zuvor waren es noch 8,07 gewesen. Nach Angaben des Landkreises Lüchow-Dannenberg blieb die Nacht ruhig.

Am Pegel Hohnstorf bei Lauenburg in Schleswig-Holstein wurden knapp neuneinhalb Meter gemessen. Ursprünglich waren für Lauenburg Pegelstände von zehn Metern und mehr prognostiziert worden. In Dömitz in Mecklenburg-Vorpommern waren es knapp unter 7 Meter. Am Dienstag war hier noch der Höchstwert mit 7,21 Metern registriert worden. Nach wie vor besteht aber die Gefahr von Deichbrüchen.

In der Katastrophenregion im Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt wurden bis zum späten Mittwochabend noch Menschen in Sicherheit gebracht. Einige weigerten sich nach Angaben des Krisenstabs der Landesregierung jedoch, ihre Häuser zu verlassen. Sie sollten im Laufe des Tages mit Booten und Hubschraubern mit Lebensmitteln versorgt werden.

Durch die Bruchstelle des Elbdeichs bei Fischbeck fließt nach wie vor Wasser ins Hinterland. Bereits in der Nacht zum Montag war der Deich gebrochen. Seither sind weite Landstriche überflutet worden.

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wollte am Donnerstagvormittag in Dannenberg an der Elbe eingesetzte Soldaten treffen. Er wolle sich ein Bild von der Lage machen und mit Soldaten des Logistikbataillons 141 sprechen, teilte ein Sprecher des Landeskommandos Niedersachsen mit.

Die Bundeswehr überwacht in Niedersachsen mit Aufklärungsflugzeugen die Deiche. Am Freitag hatte de Maizière Soldaten am Zusammenfluss von Elbe und Saale südlich von Magdeburg bei ihrem Einsatz besucht. Das Elbehochwasser wird den Bahnverkehr weiter behindern. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Berlin über Stendal nach Hannover ist nach wie vor nicht befahrbar. Die ICE-Züge zwischen Berlin und Hannover und weiter ins Ruhrgebiet fahren deshalb über Magdeburg und Braunschweig. Von Donnerstag an halten sie auch in diesen beiden Städten, wie die Deutsche Bahn mitteilte. Reisende zwischen Berlin und Hannover müssen mit einer um 60 bis 70 Minuten längeren Fahrtzeit rechnen. In Richtung Berlin entfallen die Stopps in Wolfsburg, Stendal und Berlin-Spandau, in Richtung Hannover die in Stendal und Wolfsburg.

Alte Landkarten sollen helfen

Landkarten aus den vergangenen Jahrhunderten sollen jetzt im Kampf gegen die Hochwasserfluten im Norden von Sachsen-Anhalt helfen. Denn die Elbe sucht sich nach dem großen Deichbruch in Fischbeck bei Tangermünde, rund 130 Kilometer westlich Berlins, offenbar den ursprünglichen Flussverlauf. Trotz eines Großaufgebots an Bundeswehrtechnik und anderen Einsatzkräften konnte der am Montag gerissene Deich noch nicht wieder geschlossen werden. Die starke Strömung riss alle aus der Luft abgeworfenen Steinblöcke und Sandsäcke wieder fort. Inzwischen ist selbst das 30 Kilometer von der Bruchstelle entfernte Städtchen Sandau von den Wassermassen bedroht.

Die Elbe wurde erheblich eingedeicht

In den letzten Jahrhunderten ist die Elbe in diesem Bereich erheblich eingedeicht worden, um vor allem der Schifffahrt und der Landwirtschaft gute Verhältnisse zu schaffen. „Der Fluss hatte ursprünglich einen ganz anderen Verlauf“, schilderte der Sandauer Bürgermeister Henry Wagner die Situation. „Anhand alter Karten müssen wir jetzt die alten Flutrinnen finden.“

Der Elbe müsse die Möglichkeit gegeben werden, das Wasser wieder in die alten Rinnen abzugeben. Entlang dieser historischen Flussarme könnte dann auf Höhenzügen versucht werden, mit Sandsackbarrieren ein weiteres Ausbreiten des Wassers zu verhindern. An anderen Stellen stehen die Chancen offensichtlich schlecht, der Wucht des Wassers Einhalt zu gebieten.

Wassermassen der Elbe drängen die Einwohner zwischen Tangermünde und Havelberg zur Flucht

Deshalb mussten auch im Laufe des Mittwochs die Einwohner mehrerer kleinerer Orte zwischen Tangermünde und Havelberg ihre Häuser verlassen. Oft mussten die Rettungskräfte Menschen in großer Eile zur Evakuierung überreden. Innerhalb weniger Stunden stand danach das Wasser kniehoch oder höher in den Häusern.

Nicht zuletzt dieser Deichbruch hat die Situation in den weiter flussabwärts gelegenen Gebieten von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein merklich beruhigt. In der Prignitz im Nordwesten Brandenburgs der Landrat Hans Lange von einer „sehr erfreulichen Entwicklung. Der Pegel falle weiter und habe am Vormittag 7,60 Meter angezeigt, 25 Zentimeter weniger als am vergangenen Sonntag. Dennoch erfordere die Hochwasserlage eine genaue Beobachtung der Deiche.

Die meisten Helfer hatten einen Ruhetag eingelegt. „Man wird ihre Kräfte möglicherweise noch brauchen“, sagte der Landrat. Das Wasser soll noch mehrere Tage auf einem hohen Stand verharren und täglich um einige Zentimeter zurückgehen. (mit dpa und Reuters)

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