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Etikettenschwindel. In Großbritannien, Frankreich und Schweden wurden mehrere Tiefkühlprodukte aus dem Handel genommen, nachdem in Lasagne bis zu hundert Prozent Pferdefleisch entdeckt worden war.

© dpa

Update

Pferdefleisch-Skandal: Europaweite Suche nach einem Schuldigen läuft

Wie viel Pferdefleisch ist als Rindfleisch verzehrt worden? Länder und Firmen in Europa schieben die Verantwortung für den Betrug hin und her, während Experten die unübersichtlichen Warenströme kritisieren.

Der Skandal um Pferdefleisch, das als Rindfleisch deklariert in die Lebensmittelkette geschmuggelt wurde,ist am Montag zu einer europaweiten Affäre geworden. Die Luxemburger Fabrik, die möglicherweise unwissentlich ein Umschlagplatz für das Billigfleisch war, lieferte nach Angaben des britischen Umweltministers Owen Paterson in 16 europäische Länder aus. Der Minister, der das Londoner Unterhaus unterrichtete, sprach von einer „weitreichenden kriminellen Verschwörung“ und forderte das europäische Betrugsamt Olaf zu Ermittlungen auf. „Jemand hat da etwas orchestriert“, sagte Paterson.

Er hoffe, dass eine Flut von Prozessen die Kriminellen „heraustreibe“, sagte Paterson weiter. Die europäische Polizeibehörde Europol und britische Beamte befassen sich bereits mit dem Skandal. Tests der britischen Lebensmittelbehörde FSA hatten ergeben, dass eine von dem Tiefkühlkonzern Findus vertriebene Fertig-Lasagne statt des auf der Packung versprochenen „100 Prozent Rindfleisch“ zu 100 Prozent Pferdefleisch enthielt.

Findus zog alle Lasagne-Packungen zurück, auch andere Rindfleischgerichte wurden in Supermärkten in Schweden und Frankreich aus den Regalen entfernt. Nun zeigt die Jagd nach den Schuldigen wieder einmal, wie komplex und vernetzt die Lebensmittelkette ist. Die Findus-Produkte wurden von dem französischen Hersteller Comigel geliefert. Comigel wiederum bezieht das Fleisch von einem französischen Unternehmen Spanghero, eine Tochter der Gruppe Poujol, und wird von rumänischen Schlachthöfen beliefert. Als britische Regierungskreise zwei rumänische Schlachthöfe als Quelle des Pferdefleischs identifizierten, warnte Rumäniens Präsident Traian Basescu vor einem „bleibenden Imageschaden“ für sein Land. Aber in Rumänien schiebt man die Schuld auf „Komplizen“ in Frankreich. Ministerpräsident Victor Ponta sagte laut der rumänischen Nachrichtenagentur Mediafax, es fehle gerade noch, „dass unsere Produzenten an den Pranger gestellt werden, weil jemand in Frankreich die Daten über die Herkunft verändert hat“. Rumänien produziert laut der Zeitung „Daily Mail“ jährlich rund 14 000 Tonnen Pferdefleisch, hauptsächlich für den Export. Ein Verbot von Pferdefuhrwerken auf Rumäniens Straßen ließ diese Zahl noch in die Höhe schnellen. Pferdefleisch kostet nur ein Sechstel des unter den strengsten Kontrollen produzierten Rindfleischs.

Frankreichs Präsident François Hollande kündigte Sanktionen gegen möglicherweise betrügerisch arbeitende Firmen an. Inspekteure der französischen Verbraucherschutzbehörde DGCCRF nahmen am Montag mehrere betroffene Unternehmen unter die Lupe.

Umweltminister Paterson und die britische Regierung betonten am Montag erneut, dass bislang nichts auf eine Gesundheitsgefahr hindeute. Aber dies könne sich ändern, deutete er an. Wenn es Hinweise auf Gesundheitsgefahren gebe, werde Großbritannien schnell handeln und ein allgemeines Fleischimportverbot verhängen. Damit brachte er die Krise um den Rinderwahn BSE in Erinnerung. In den Neunzigerjahren wurden britische Bauern von den europäischen Absatzmärkten ausgeschlossen.

Die Behörden ordneten breit angelegte Tests der vermeintlichen Hamburger, die aus Pferdefleisch bestehen, und der Lasagnen an. Man will unter anderem wissen, ob Spuren des Wirkstoffes Phenylbutazon im Fleisch sind, ein entzündungshemmendes Mittel, das Pferden verabreicht wird.

Die Vorgeschichte des Skandals geht weit zurück. Irische Lebensmittelprüfer waren im vergangenen September durch eine falsche Etikettierung an Produkten aus Polen und eine Zunahme von Pferdeschlachtungen in Irland argwöhnisch geworden. Als ein Labortest von 27 Burger-Marken das in Irland hergestellte Markenprodukt Silvercrest als stark kontaminiert identifizierte, schlug die Behörde Alarm.

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