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Philippinen: Riskantes Vorhaben: Alt-AKW im Erdbebengebiet

Auf den Philippinen soll ein 20 Jahre altes Atomkraftwerk ans Netz gehen um die Energiekrise zu bewältigen. Ein gefährliches Vorhaben, denn das Kraftwerk steht am Fuße des Vulkans Natib - und der gilt als "potenziell aktiv".

Es hat noch nicht eine einzige Glühbirne zum Leuchten gebracht, doch das Atomkraftwerk Bataan auf den Philippinen ist längst zu einem Mahnmal für Misswirtschaft und Korruption unter dem früheren Präsidenten Ferdinand Marcos geworden. Statt der geplanten 500 Millionen Dollar (375 Millionen Euro) kostete es am Ende 2,3 Milliarden, einen Großteil davon steckten sich Marcos und seine Kumpane vermutlich in die eigenen Taschen.

Marcos' Sturz ist 23 Jahre her, die Milliardenschulden für das Kraftwerk sind seit zwei Jahren abbezahlt. Ans Netz ging die Anlage aber nie, denn Marcos' Nachfolger hielten den Betrieb für zu gefährlich. Das Atomkraftwerk sei schlecht gebaut und stehe obendrein am Fuß eines Vulkans mitten in einem Erdbebengebiet, argumentierten sie bisher. Inzwischen jedoch sehen einige Politiker Bataan als die Rettung aus der Energiekrise.

Bröckelnde Mauern, rostige Leitern

"Wir haben ein schuldenfreies Atomkraftwerk, das bislang kein Watt Strom produziert hat", sagt der Kongressabgeordnete Mark Cojuango. Er hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, um Bataan in Betrieb zu nehmen: "Es dürfte kein großes Problem sein herauszufinden, ob das Kraftwerk noch brauchbar ist." Und wenn, warum sollte es dann nicht sofort angefahren werden, meint er. Allerdings soll es eine Milliarde Dollar kosten, Bataan zu modernisieren. Derzeit bröckelt das Mauerwerk, rostige Leitern lehnen daran und die Tür klemmt. Der Kontrollraum im Innern sieht aus wie aus einem James-Bond-Film der 1970er Jahre: viele Messgeräte, kein einziger Computer.

Dennoch ist Bataan für Cojuango die Lösung der bevorstehenden Energiekrise auf den Philippinen: 2011, so die Prognosen, werden die Philippinen nämlich weniger Strom produzieren als sie verbrauchen. Der Abgeordnete verweist auf ein baugleiches Kraftwerk in Südkorea, das seit Mitte der 1980er Jahre ohne Zwischenfall läuft. Jetzt müssten die Philippiner überzeugt werden, dass Atomkraft die Energie der Zukunft sei. Wenn sie erst einmal wüssten, wie die relativen Risiken in den Griff zu bekommen seien, "werden die Leute einsehen, dass Atomkraft ganz und gar nicht gefährlich ist".

Fischer bauten AKW

Die Gefahr, die von Bataan ausgehe, sei überhaupt nicht in den Griff zu bekommen, halten Kritiker dagegen. Denn das Kraftwerk steht am Fuße des Vulkans Natib, der als "potenziell aktiv" gilt. 1991 kamen beim Ausbruch des Vulkans Pinatubo im Norden des Kraftwerks 300 Menschen ums Leben. Pinatubo sei eine Warnung gewesen, das Kraftwerk nicht in Betrieb zu nehmen, sagt Bischof Socrates Villegas, der Prälat der nahen Stadt Balanga. "Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, wenn ein Vulkan ausbricht, an dessen Fuß ein Kernkraftwerk steht, das keinen Sicherheitsstandards genügt?", fragt der Bischof. Außerdem wüteten immer wieder Taifune in der Region.

Am meisten beunruhigt denn Geistlichen, wie wenig Erfahrung die Arbeiter hatten, die das Kraftwerk errichteteten: "Es waren Fischer, die sich dann als Schweißer und Maurer beim Bau des Atomkraftwerks wiederfanden", warnt er: "Vielleicht sparen wir einige Pesos durch billigeren Strom - aber dafür ist das Risiko für das Leben der Leute in Bataan zu hoch."

"Renaissance der Kernenergie"

Die Regierung jedoch überlegt weiter, ob Bataan doch noch angefahren werden soll. Vor kurzem lud sie die Internationale Atomenergiebehörde ein, die Anlage zu prüfen. "Wir erleben eine Renaissance der Kernenergie, viele Länder der Region setzen auf Atomstrom", sagt der zuständige philippinische Minister Angelo Reyes. Vietnam beispielsweise will bis 2025 vier Kernkraftwerke bauen, in Indonesien soll das erste AKW 2015 ans Netz gehen, und Thailand prüft den Bau eines Kraftwerks, das 2020 fertig sein soll. Atomenergie sei eine "nachhaltige, zuverlässige, hochwertige und bezahlbare" Energiequelle. Bedenken wegen drohender Erdbeben teilt der Minister nicht. Schließlich habe die Anlage in den vergangenen zwanzig Jahren allen Beben und Taifunen widerstanden.

Adrian Addison[AFP]

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