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Polen: Regierungschef Tusk kontert

Ein Jahr vor der Fußball-Europameisterschaft sagt Polens Regierung Hooligans den Kampf an. Anti-Terroreinheiten stürmen Wohnungen in Poznan und Warschau.

Mit der Pistole im Anschlag warten Antiterror-Einheiten vor der Wohnung des Fußball-Hooligans „HK8“. Einer der Männer, die an dem Einsatz beteiligt sind, klopft an die Tür. Der verschlafene junge Mann in Unterhose wird noch im Flur niedergeworfen, seine Hände werden in Handschellen gelegt. Mit der Aktion griffen die Sicherheitskräfte ein gutes Jahr vor der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine in der Hooligan-Szene durch.

Wie „HK8“ erging es am frühen Dienstagmorgen 20 weiteren Krawallbrüdern aus Polens gewaltbereitem Fußball-Fanmillieu. Polizei-Sondereinheiten verhafteten in Warschau, Poznan, Gniezno und Pila die Rädelsführer von Fußball-Krawallen, die Polen Anfang des Monats in Aufruhr versetzt hatten. Nach dem Pokalendspiel in Bydgoszcz zwischen Lech Poznan und Legia Warszawa war es damals zu heftigen Ausschreitungen gekommen, das Stadion wurde teilweise demoliert. „Weitere Festnahmen werden folgen“, versprach Polens oberster Polizeisprecher Andrzej Matejczuk im Privatsender TVN24.

Rund 70 der brutalsten Unruhestifter von Bydgoszcz sind inzwischen identifiziert. Doch dies ist nur die Spitze des Eisbergs. Jahrelang wurden in Polen sämtliche Warnungen in den Wind geschlagen, jahrelang verschlossen Fußballfunktionäre und Politiker die Augen vor dem Gewalt-Phänomen. Dabei hatte die Europäische Fußballunion UEFA Polen in der Vergangenheit immer wieder wegen seiner Hooligans kritisiert. Doch außer markigen Sprüchen – zuletzt unter der Law-and-order-Regierung der Kaczynskis – erntete sie nichts.

Ausgerechnet der einstige Danziger Fanclub-Anführer Donald Tusk hat nun aber die Notbremse gezogen. Der Regierungschef ordnete vorübergehend die Schließung der Stadien der beiden Mannschaften aus Poznan und Warschau an, in der ersten Liga fanden dort anschließend „Geisterspiele“ statt. Tusk droht den Hooligans außerdem mit schärferen Gesetzen. So soll schon bald in den Stadien das Vermummungsverbot gelten. Auch sollen die Fußballclubs zur engeren Zusammenarbeit mit den Gesetzeshütern gezwungen werden. Doch der Kampf für die Sicherheit in und um Polens Fußballstadien hat erst begonnen. Schon regt sich erbitterter Widerstand: Am Wochenende demonstrierten 5000 Fußballfans gegen die ersten Maßnahmen zur Bekämpfung des Fußball-Rowdytums.

Polens rechts-nationale Opposition hat unterdessen in den Fußball-Hooligans eine neue Kraft im Kampf gegen die verhasste Regierung Tusk entdeckt. Die von militanten Kaczynski-Anhängern herausgegebene Wochenzeitung „Gazeta Polska“ störte sich noch nie an den antisemitischen Hasstiraden, die regelmäßig von polnischen Stadiontribünen erschallen. „Fußballfans tragen patriotische Werte weiter und schaffen eine eigene Bürgergesellschaft“, lobte das Blatt.

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