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Kampf im Verborgenen. Ein chinesisches Mädchen vor den Mauern der Verbotenen Stadt in Peking.

© dapd

Politskandal: Machtkampf in Peking: Liebe, Intrige und ein toter Engländer

In dem mysteriösen Machtkampf in China werden immer mehr irritierende Details bekannt. Dabei geht es um eine verwirrende Verquickung von privaten Affären und der Entmachtung eines traditionslinken Mao-Verehrers.

An der britischen Eliteuniversität Oxford hat der chinesische Student Bo Guagua Eindruck hinterlassen, allerdings nicht bei den Professoren. Der Sohn des chinesischen Politikstars Bo Xilai und seiner Frau Gu Kailai fiel vielmehr bei seinen Kommilitonen durch exzellente Kontakte und finanzielle Großzügigkeit auf. Einmal lud er den Hongkonger Kung-Fu-Star Jackie Chan zu einem Vortrag. „Beim Geldausgeben hat er sich nie zurückgehalten“, sagte ein ehemaliger Student dem „Telegraph“, „er hat immer den anderen Drinks gezahlt“. Aus dieser Zeit stammen auch einige Internet-Fotos, auf denen Bo Guagua sichtlich derangiert mit mehreren Frauen im Arm posiert. Das Geld für diese Annehmlichkeiten dürfte von seinen Eltern gestammt haben – und ist wohl für den Tod des 42 Jahre alten Briten Neil Heywood in der chinesischen Millionenstadt Chongqing verantwortlich.

Die Nachrichtenagentur Reuters hat unter Berufung auf ungenannte Polizeiquellen in Chongqing Hintergründe des mutmaßlichen Mordes berichtet. Dieser führte zum Sturz des ambitionierten Parteichefs von Chongqing, Bo Xilai, dem Vertreter der sogenannten Neuen Linken, der Mao verehrt und sich als Saubermann gegen Mafia und Korruption profiliert. Der Fall stürzt China in die schwerste innenpolitische Krise seit 1989, dem Jahr der Niederschlagung der Demokratiebewegung. Der britische Geschäftsmann Neil Heywood soll in einem Hotel in Chongqing vergiftet worden sein, weil er Bo Xilais Frau Gu Kailai gedroht habe, ihr Vorhaben zu verraten, Gelder ins Ausland zu verschieben.

Damit werden neue Details dieser mysteriösen Affäre bekannt. Die Rechtsanwältin war mit dem Briten seit längerem mindestens geschäftlich befreundet, manche Quellen behaupten, sie hätte eine Liaison gehabt. „In dem Moment, in dem Gu herausgefunden hatte, dass Heywood nicht mitmachen würde und sogar drohte – dass er das Geld unbekannter Herkunft öffentlich machen könnte – in dem Moment war er eine große Gefahr für Gu Kailai und Bo Xilai“, zitiert Reuters eine nicht näher genannte Quelle. Denn damit würde er die Karriere Bo Xilais gefährden. Hintergrund sind die riesigen, oft illegal durch Bestechung erworbenen Vermögen, die viele einflussreiche Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas oder ihre Familienangehörigen angehäuft haben. Wie lukrativ sich politische Macht in China in bare Münze verwandeln lässt, ließ sich im März beim Nationalen Volkskongress beobachten, als viele Abgeordnete mit Luxusaccessoires und in teuerster Kleidung erschienen. Die 70 reichsten der 3000 Volkskongressabgeordneten besitzen zusammen 89,8 Milliarden Dollar. „Die Ehegatten und Kinder einiger Offizieller nutzen ihre Macht für persönliche Gewinne aus, verletzen dabei die Gesetze und provozieren öffentliche Empörung“, musste nun sogar die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua zugeben. So sorgte der Sohn des linken Saubermanns Bo Xilai, Bo Guagua, für Aufregung, als er die Tochter des US-Botschafters in Peking mit einem roten Ferrari abholte.

Einige chinesische Webseiten behaupten nun, Bo Xilais Frau habe den Ermittlern erzählt, sie habe 1,2 Milliarden Dollar ins Ausland transferieren wollen. Doch diese Zahlen wie die meisten Fakten sind von den Behörden bisher unbestätigt. Der Mord sollte offenbar verhindern, dass der Brite den illegalen Geldtransfer öffentlich macht. Zunächst gab die Polizei in Chongqing bekannt, Neil Heywood sei an einer Alkoholvergiftung gestorben. Er wurde zwei Tage nach seinem Tod in Anwesenheit eines britischen Botschaftsangehörigen eingeäschert. Was nun die Klärung der Umstände seines Todes noch schwieriger macht. Am Mittwoch drängte Großbritanniens Premierminister David Cameron die Pekinger Führung, den Fall aufzuklären.

Als Chongqings Polizeichef Wang Lijun gegenüber seinem Vorgesetzten, dem örtlichen Parteichef Bo Xilai, den Verdacht äußerte, dessen Frau könnte mit dem Tod des Briten etwas zu tun haben, wurde er bald darauf abgesetzt. Der Polizeichef fürchtete um sein eigenes Leben, flüchtete sich in das US-Konsulat in Chengdu und bat wohl um Asyl. Die „New York Times“ berichtet, dass ihm dort 36 Stunden lang Schutz vor den inzwischen eingetroffenen Sicherheitskräften aus Chongqing gewährt wurde. Diese hatten das Konsulat umzingelt. Der Polizeichef verließ das Konsulat erst, als ein Beamter eines Pekinger Ministeriums eintraf und mit ihm nach Peking flog, wo er zumindest vor dem Parteichef von Chongqing sicher war. Über den Verbleib Wang Lijuns ist nichts bekannt, ihm könnte wiederum in Peking wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen in der US-Botschaft sogar die Todesstrafe drohen. Seine Flucht am 6. Februar hatte den ganzen Politskandal ausgelöst.

Einerseits kommt Peking der Skandal ungelegen, gleichzeitig liefert sie dem politischen Lager der Reformer eine gute Gelegenheit, den ehrgeizigen linken Traditionalisten Bo Xilai loszuwerden.

Der ist nun wegen „disziplinarischer Vergehen“ von allen Ämtern suspendiert und befindet sich an einem unbekannten Ort. Seine Frau steht unter Mordverdacht. Unbekannt ist auch, was mit ihrem Sohn Bo Guagua passiert, der zuletzt in Harvard studiert hat. Er soll von US-Sicherheitsbeamten in Boston in seinem Luxusapartment abgeholt worden sein. Augenzeugen berichten, dass er darüber erleichtert gewesen sei. Möglich, dass den USA der nächste Asylantrag bevorsteht.

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