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Dieses Video eines tödlichen Polizeieinsatzes in Toronto löste Proteste aus.

© fotolia, youtube / Montage: Thomas Mika

Polizeigewalt auf Video: Wie Smartphones die Strafverfolgung beeinflussen

Immer wieder landen Videos von tödlichen oder brutalen Polizeieinsätzen im Netz. Das hat Folgen. In Toronto löste das Video über einen Einsatz, bei dem ein 18-Jähriger starb, nun Proteste aus.

Sammy Yatim ist tot. Der 18-Jährige wurde am Samstag im kanadischen Toronto von Polizisten erschossen, als er in einer ansonsten leeren Straßenbahn mit einem Messer hantierte. Die anderen Fahrgäste hatte er vorher zum Aussteigen gezwungen. Insgesamt neun Schüsse feuerten die Beamten von außen auf ihn ab. Als er schon im Sterben lag, setzten sie einen Elektroschocker ein. So berichtet es die Zeitung „Toronto Star“. So sieht man es auf einem Youtube-Video, das ein Passant zufällig mit seinem Smartphone aufgenommen und ins Netz gestellt hatte. Das Video hatte Folgen: Empört über den tödlichen Polizeieinsatz gingen am Montag in Toronto Hunderte auf die Straße und protestierten.

Der Fall erinnert an einen Polizeieinsatz in Berlin, bei dem ein Polizist am Alexanderplatz einen nackten Mann erschoss, der sich im Neptunbrunnen mit einem Messer zunächst selbst verletzte und dann auf einen herbeigerufenen Polizeibeamten mit der Waffe zuging. Auch hier tauchten Bilder im Internet auf. Auch hier entzündete sich an dem Video die Diskussion, ob der Einsatz verhältnismäßig war.

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„Die Polizei hat die Wirkung solcher Videos zu Beginn unterschätzt“, sagt Thomas Feltes, Professor für Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum: „Mittlerweile wissen die Beamten zwar, dass sie damit rechnen müssen, gefilmt zu werden. Aber in der konkreten Situation handeln sie emotional, rationale Überlegungen werden ausgeschaltet.“

Ein wirksames Mittel gegen Polizeigewalt sind solche Videos also offenbar nicht. Das Aufkommen von Smartphones scheint auch keine sichtbaren Auswirkungen auf die Zahl der angezeigten Übergriffe zu haben: Laut Kriminalstatistik stieg die Zahl der erfassten Fälle von Körperverletzung im Amt von 2003 bis 2008 leicht von 2 114 Fällen auf 2 314, danach sank sie wieder bis auf 1 969 Fälle im vergangenen Jahr. Die Aussagekraft dieser Zahlen ist allerdings beschränkt, denn bei Polizeiübergriffen gibt es eine hohe Dunkelziffer und unter Körperverletzung im Amt fallen auch Übergriffe anderer Beamter, etwa Justizbediensteter.

Bei der Aufklärung von Polizeigewalt können Handyvideos aber durchaus helfen. Medien und Öffentlichkeit seien aufmerksamer geworden, sagt Alexander Bosch, Polizeiexperte bei Amnesty International. Etwa 95 Prozent der Verfahren gegen Polizisten würden eingestellt, sagt Tobias Singelnstein, Professor für Strafrecht und Strafverfahrensrecht an der FU Berlin. Kommt es aber zu einem Gerichtsverfahren, könne ein Video ein wichtiges Beweismittel sein: „In solchen Fällen steht oft Aussage gegen Aussage. Gibt es ein eindeutiges Video, muss sich das Gericht das zumindest angucken.“

Im Falle des tödlichen Einsatzes am Neptunbrunnen etwa laufen noch immer Ermittlungen wegen Totschlags gegen den Beamten. Es wird also noch untersucht, ob er aus Notwehr handelte oder nicht. Wie der Tagesspiegel aus Polizeikreisen erfuhr, ist er aber vorläufig wieder am Alexanderplatz im Einsatz.

In anderen Fällen haben Handyvideos bereits zu Anklagen und zu Verurteilungen von Polizisten geführt. Zwei Beamte, die im September 2009 einen Demonstranten von seinem Fahrrad zerrten und schlugen – ein Video davon kursierte unter dem Titel „Mann in Blau“ im Netz –, wurden zu Geldstrafen verurteilt. In Bremen erstattete die Polizei vor kurzem Selbstanzeige, nachdem die Bild-Zeitung ein Video veröffentlichte, auf dem Polizisten in einer Disco einen Mann verprügeln.

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Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht man das Filmen mit Smartphones und die Veröffentlichung dieser Aufnahmen im Internet eher kritisch. „Weil man nicht weiß, ob und was dort herausgeschnitten worden ist“, sagt die GdP-Sprecherin Silvia Brinkhus. Durch den Schnitt lasse sich auch eine bestimmte Perspektive erzeugen oder Stimmung für oder gegen etwas machen. Dies sei mit einer Fotomontage bei Bildern vergleichbar. Zudem sei es möglich, dass durch die Aufnahmen die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten verletzt würden.

Dem Amnesty-Experten Alexander Bosch zufolge nimmt die Polizei immer wieder filmenden Augenzeugen Smartphones ab. Offiziell, um Beweismittel zu sichern. Das Löschen der Videos wäre Strafvereitelung und damit strafbar.

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