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Panorama: Porträt: Kardinal Karl Lehmann

Eines seiner zahlreichen Bücher hat den für Kardinal Karl Lehmann (69) programmatischen Titel "Glauben bezeugen - Gesellschaft gestalten".

Hamburg (20.09.2005, 12:49 Uhr) - Am Dienstag wurde er für weitere sechs Jahre zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt. In diesem Amt repräsentiert Lehmann seit 18 Jahren die rund 26 Millionen Katholiken in der Bundesrepublik. Um für seine Kirche zu punkten, scheut der Mainzer Bischof und international renommierte Theologe auch nicht die breite Öffentlichkeit - ob mit Auftritten in «Wetten, dass...?» oder einer launigen Dankesrede im Narrenkäfig für den ihm verliehenen Orden «Wider den tierischen Ernst».

Sein dröhnendes Lachen und seine barocke Statur sind Markenzeichen. Wenn es um die Sache geht, wird Lehmann nachdenklich, wägt jedes Wort und differenziert. Von verschiedenen Standpunkten aus denken zu können und einen Ausgleich zu finden, ist typisch für ihn und Voraussetzung für das Amt als Vorsitzender der Bischofskonferenz.

Lehmanns Dialogbereitschaft ist im Vatikan, aber auch bei konservativen Amtsbrüdern wie dem Kölner Kardinal Joachim Meisner in der Vergangenheit auf Misstrauen gestoßen. Lehmann hielt Kritikpunkte der so genannten Kölner Erklärung über römischen Zentralismus für diskussionswürdig, oder er empfing Vertretern der Reformbewegung «Wir sind Kirche». Bis zum päpstlichen Machtwort im Jahr 1999 versuchte Lehmann, die katholischen Beratungsstellen im staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung zu halten um mehr in Not geratene Frauen erreichen zu können und die Zahl der Abtreibungen zu verringern. Er setzte sich dafür ein, dass wiederverheiratete geschiedene Katholiken aus seelsorgerlichen Gründen zur Kommunion gehen dürfen - auch dieser Vorstoß wurde vom Vatikan abgelehnt. Lange wurde Lehmann die ihm als Vorsitzender der Bischofskonferenz traditionell zustehende Kardinalswürde vorenthalten. Erst im Jahr 2001 gab es «Purpur für den Unbequemen» («Süddeutsche Zeitung»).

Mit der Wahl seines Duzfreundes Joseph Ratzinger aus frühen Theologenzeiten zum Papst wurde die Position für Lehmann nicht einfacher. Schon als Präfekt der Glaubenskongregation und damit oberster Glaubenshüter hatte Ratzinger zuvor immer wieder konservative theologische Positionen bekräftigt. Von evangelischer Seite wurde beispielsweise das Dokument «Dominus Iesus», das den evangelischen Kirchen den Status als Kirche abspricht, als Provokation empfunden Lehmann sprach von einem innerkirchlichen Betriebsunfall.

Theologisch verwurzelt ist Lehmann im Zweiten Vatikanischen Konzil (1963-1965). Die dort propagierte Öffnung der Kirche zur Welt ist dem ehemaligen Assistenten des großen Theologen Karl Rahner ein wichtiges Anliegen. Ebenso die Ökumene. Im Land der Reformation versucht Lehmann pragmatisch die Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten, auch wenn die theologische Fragen wie etwa das gemeinsame Abendmahl nur von Rom entschieden werden können.

Lehmann wurde am 16. Mai 1936 als Sohn eines Dorfschullehrers in Sigmaringen geboren und nach dem Studium in Rom zum Priester geweiht. Professuren hatte er in Mainz und Freiburg. 1983 wurde er zum Bischof ernannt. Seine wissenschaftliche Kompetenz schätzt auch der Vatikan, Lehmann wurde in wichtige theologischen Kommissionen berufen.

Für die neue Amtszeit als Vorsitzender der Bischofskonferenz zeichnen sich große Probleme ab: Viele deutsche Bistümer stehen vor harten finanziellen Sanierungsaufgaben einschließlich Personalabbau. Der Klerus ist überaltert, es fehlt an Priesternachwuchs. Die Kirchenaustritte halten an, wenn auch auf niedrigerem Niveau. In der Ökumene herrschen «Spannungen», wie es die hannoversche Bischöfin Margot Käßmann offen sagt.

Nach der Bundestagswahl ist die Regierungsbildung zwar noch offen. Doch das von der Union propagierte Steuermodell mit niedrigeren Steuersätzen würde auch die Kirchensteuer-Einnahmen noch weiter drosseln, befürchten Fachleute. Sozialpolitisch wollen die Kirchen zwar auch in Zukunft einem neoliberalen Kurs entgegensteuern - bislang ohne spürbaren Einfluss auf die Politik. (Von Matthias Hoenig, dpa)

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