zum Hauptinhalt

Prozess in der Türkei: Marco bleibt in Haft

Nach Charlottes Aussage in Großbritannien spricht der Richter von einem dringenden Tatverdacht. Damit wird Marcos Gefängnisaufenthalt noch einmal verlängert.

Nur 45 Minuten dauerte der fünfte Verhandlungstag im Prozess gegen den deutschen Schüler Marco im südtürkischen Antalya am Freitag. Nach kurzer Beratung entschied der Richter, dass der Angeklagte weiter hinter Gittern bleiben muss: Es liege nach wie vor Fluchtgefahr vor; zudem gebe es einen „dringenden Tatverdacht“ gegen ihn. Verstärkt worden war dieser Verdacht durch die kurz vor der Verhandlung bekannt gewordene Aussage des mutmaßlichen Opfers Charlotte M. aus Großbritannien: Die 13-Jährige wirft Marco Vergewaltigung vor.

Eine nächtliche Begegnung von Marco und Charlotte in einem Urlaubshotel in Side bei Antalya im April hatte den Prozess ausgelöst. Nach einer Strafanzeige von Charlottes Familie wurde Marco noch im Hotel festgenommen. Der Junge hat einen heftigen Flirt mit der Britin eingeräumt, dabei aber betont, alles sei auf beiderseitigen Wunsch geschehen. Zudem habe es keinen Geschlechtsverkehr gegeben. Auch habe sich Charlotte als 15-jährige ausgegeben. Dagegen sprach Charlotte nach Angaben ihres Anwalts in ihrer Vernehmung durch britische Beamte in ihrer Heimat Manchester in dieser Woche von Sexualkontakten gegen ihren Willen. Das Mädchen wurde in Großbritannien vernommen, weil sie nicht an dem Prozess in Antalya teilnehmen will; nach den Worten ihres Anwalts wird sie psychologisch behandelt und auch beim nächsten Prozesstag nicht in der Türkei erwartet.

Ruhig und gefasst oder unter Schock?

Marcos Anwalt Iplikcioglu verwies darauf, dass Charlotte in ihrer ersten Aussage bei der türkischen Polizei nichts von Zwang gesagt habe. Auch habe ein Arzt, der das Mädchen nach der fraglichen Nacht untersucht hatte, das Mädchen als ruhig und gefasst beschrieben. Charlottes Anwalt sagte dazu am Freitag, seine Mandantin sei in den ersten Verhören nicht gelassen gewesen, wie es die Gegenseite darstellen wolle, sondern habe sich in einem Schockzustand befunden, der sie äußerlich ruhig erscheinen ließ.

Umstritten ist auch, wie das Gericht den ärztlichen Bericht über den Zustand des Mädchens nach der Begegnung mit Marco werten soll. Nach Angaben der Nebenklage gibt es Widersprüche zwischen der schriftlichen Fassung des Berichts, in dem die Möglichkeit einer Vergewaltigung angesprochen werde, und den mündlichen Aussagen des Arztes vor Gericht, wonach er keine Hinweise auf eine Vergewaltigung gefunden habe. Ende Oktober wird das Gericht entscheiden, ob sich Experten der Universität Antalya den Bericht des Arztes anschauen sollen.

Wenn es nach Marcos Anwalt Ipekcioglu geht, wird der Uelzener Schüler dann schon in Freiheit sein. Am Montag will sich Ipekcioglu an ein anderes Schwurgericht wenden, um die Untersuchungshaft für Marco aufheben zu lassen. Da Marco angesichts der Aktenlage allenfalls wegen sexuellem Missbrauchs zu etwa drei Jahren Haft verurteilt werden könne, sei die mittlerweile fast sechsmonatige U-Haft unverhältnismäßig, sagte Ipekcioglu: Bei Minderjährigen wie Marco können Haftstrafen von bis zu drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false