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Prozess: "Kannibale" erneut vor Gericht

Vor dem Frankfurter Landgericht hat heute der zweite Prozess gegen den "Kannibalen von Rotenburg" begonnen. Zum Auftakt wiesen die Verteidiger den Mordvorwurf gegen ihren Mandanten zurück.

Frankfurt/Main - Der 44 Jahre alte Armin Meiwes habe sein Opfer auf Verlangen getötet und könne daher nicht wegen Mordes verurteilt werden, sagte Rechtsanwalt Joachim Bremer am Donnerstag vor dem Frankfurter Landgericht. Der Angeklagte selbst kam am ersten Verhandlungstag nicht zu Wort. Seine Aussage wird für den kommenden Montag erwartet.

Der allein stehende Computertechniker Meiwes muss sich zum zweiten Mal vor Gericht verantworten, weil er nach eigenem Geständnis im März 2001 einen Ingenieur aus Berlin getötet, zerlegt und schließlich in Teilen gegessen hat. Ein erstes Urteil des Landgerichts Kassel zu achteinhalb Jahren Haft wegen Totschlags hatte der Bundesgerichtshof (BGH) aufgehoben und die genaue Prüfung mehrerer Mordmerkmale verlangt. Eine Tötung auf Verlangen hatten die Karlsruher Richter nach den Kasseler Prozessakten verworfen. Dieses Delikt kann mit höchstens fünf Jahren Haft geahndet werden.

Die Wertungen des BGH seien für das Frankfurter Gericht keineswegs bindend, erklärte hingegen Anwalt Bremer. Das Schwurgericht müsse wieder bei Null beginnen und das gesamte Verfahren neu aufrollen. «Wir stehen rechtlich am selben Punkt wie das Landgericht Kassel am 3. Dezember 2003.» Das spätere Opfer, das Meiwes über das Internet kennen gelernt hatte, habe an seinem Sterbewillen auch anderen Menschen gegenüber keinen Zweifel gelassen. Bremer verlangte, die Internet-Dialoge der beiden Männer in der Hauptverhandlung zu verlesen. «Diese in der deutschen Rechtsgeschichte einmalige Tat ist rechtlich als Tötung auf Verlangen zu werten.»

Der Prozess hatte zunächst holprig begonnen. Noch vor Verlesung der Anklage verlangten die Verteidiger die Überprüfung eines der Schöffen und später aus formalen Gründen die Verlegung des Verfahrens an ein anderes Gericht. Für eine weitere Verzögerung sorgte ein Fehler beim Überspielen des während der Tat von Meiwes selbst aufgenommenen Videofilms. Auf den eigens für das Frankfurter Verfahren gebrannten DVDs fehlten dem Vorsitzenden Richter Klaus Drescher zufolge rund 40 Minuten vom Ende des blutigen Geschehens.

Das Gericht lehnte den Antrag auf eine Unterbrechung des Prozesses zur Überprüfung des nachgerückten Schöffen ab. Die ursprünglich vorgesehene Frau war von dieser Verpflichtung entbunden worden, weil sie einen längeren Auslandsaufenthalt geplant hatte, so dass ein neuer Laienrichter nachrücken musste. Aus Sorge um die psychische Stabilität der Schöffen hat die Kammer gleich zwei Ergänzungsschöffen benannt, die an der Verhandlung teilnahmen.

Die Richter erklärten zudem die Zuweisung des Prozesses nach Frankfurt für rechtens. Dem BGH stehe ein Ermessensspielraum zu, an welches gleichrangige Gericht im Bundesland es das Verfahren zur erneuten Verhandlung gebe, sagte Drescher. Die Anwälte hatten verlangt, erneut in Kassel oder in Fulda zu verhandeln, da dieses Landgericht seit 2005 auch für den Bereich Rotenburg zuständig sei.

Staatsanwalt Marcus Köhler wiederholte die bereits aus Kassel bekannte Mord-Anklage, nach der Meiwes getötet haben soll, um andere Verbrechen begehen zu können, etwa die Störung der Totenruhe. Der BGH hat zudem eine Verurteilung wegen Lustmordes nahe gelegt und außerdem von dem neuen Gericht die Prüfung verlangt, ob Meiwes aus niederen Beweggründen gehandelt hat.

Relativ unstrittig ist hingegen das tatsächliche Geschehen, das Köhler gerafft vortrug. Nach etlichen Internet-Kontakten hatte sich der Berliner Ingenieur nach Nordhessen aufgemacht und Meiwes auf dessen einsam gelegenen Hofgut bei Rotenburg besucht. Am Abend des 9. März 2001 hatte Meiwes seinem mit Alkohol und Tabletten halb betäubtem Opfer zunächst den Penis abgeschnitten und vergeblich versucht, diesen zu essen. In der Nacht schnitt er dem 43 Jahre alten Mann schließlich die Kehle durch und tötete ihn damit. Das Menschenfleisch zerlegte er in Portionen und aß in der Folge etwa 20 Kilogramm davon auf.

Der grausige Fall hat weltweites Aufsehen erregt und dient als Stoff unter anderem für den demnächst anlaufenden Hollywood-Film «Rohtenburg», von dem sich Meiwes vorverurteilt fühlt und gegen den er rechtliche Schritte angekündigt hat. Sein Anwalt Bremer erklärte: «Herr Meiwes will kein Geld damit machen und will seine Geschichte nicht kommerzialisieren.» Geplant sei lediglich eine seriöse Dokumentation über den Fall.

Der bereits im ersten Prozess ausgesprochen kooperative Angeklagte hat über seine Anwälte für Montag eine ausführliche Stellungnahme angekündigt. Darin wolle er das ausdrückliche und ernsthafte Verlangen des später Getöteten schildern. Zum Prozessauftakt erschien Meiwes korrekt mit Anzug, Hemd und Krawatte gekleidet. Nachdem ihm die Handschellen abgenommen worden waren, scherzte er gelöst mit seinen Verteidigern. Für den Prozess ist er vom Kasseler Gefängnis nach Frankfurt verlegt worden. Er sitzt seit Dezember 2002 in Untersuchungshaft. (tso/dpa)

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