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Der Angeklagte Detlef S. beim Prozessauftakt.

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Update

Prozess: Vater soll seine Kinder 350 Mal missbraucht haben

Im Missbrauchsprozess gegen einen 48-Jährigen aus dem Westerwald hat der Angeklagte eingeräumt, der Vater von sieben Kindern seiner Stieftochter zu sein. Die Vorwürfe der Anklage bestreitet er jedoch.

Er soll die Hauptrolle im Missbrauchsdrama von Fluterschen gespielt haben. Er soll seine Töchter zur Prostitution gezwungen, seine Adoptivtochter zur Mutter von acht Kindern gemacht, seinen Adoptivsohn missbraucht haben. Und: Er soll seine Familie terrorisiert, mit einer Peitsche verprügelt haben. Detlef S. (48) muss ein Bulle von einem Mann sein, möchte man meinen. Aber der Mann, der am Dienstag beim Prozessauftakt am Landgericht Koblenz den Gerichtssaal betritt, wirkt hilflos wie ein Schulbub. Sein Blick verängstigt, sein ein Meter sechzig großer Körper verkrampft, sein Jackett zwei Nummern zu weit.

Gerichtssaal 128 ist prall gefüllt. Rund 100 Zuhörer und Journalisten starren auf Detlef S., den „Horror-Vater“ aus dem 750-Seelen-Ort Fluterschen. Nur seine mutmaßlichen Opfer blicken weg. Seine Adoptivtochter (27) blättert in Akten, sein Adoptivsohn (27) blickt zu Boden. Seine Tochter (18) ist zu Hause geblieben. Sie wollte sich das alles ersparen.

Dann verliest der Staatsanwalt die Anklage: Detlef S. wird vorgeworfen, seine Tochter und seine Adoptivtochter jahrelang gezwungen zu haben, für Geld mit Männern Sex zu haben. Die Anklage wirft ihm insgesamt 350 Sexualverbrechen vor. Verübt zwischen 1987 und 2010 an seiner Adoptivtochter, seinem Adoptivsohn und seiner Tochter. Als Tatorte nennt der Staatsanwalt: das Haus der Familie in Dernbach (Kreis Neuwied) und in Fluterschen, eine Wohnung in Straßenhaus (Kreis Neuwied), einen Dönerladen und ein Waldstück in Altenkirchen.

Detlef S. liest die Anklageschrift konzentriert mit – und schüttelt immer wieder den Kopf. Die Anklage schildert ihn als perversen, völlig gewissenlosen Schwerverbrecher, der seine Kinder ausschließlich als Sexobjekte betrachtet. Die Zuhörer im Saal sind schockiert. Manche packt das blanke Entsetzen.

Ein 48-Jähriger im Westerwald soll seine seine leibliche Tochter und zwei seiner Stiefkinder 350 Mal misshandelt und sexuell missbraucht haben.
Ein 48-Jähriger im Westerwald soll seine seine leibliche Tochter und zwei seiner Stiefkinder 350 Mal misshandelt und sexuell missbraucht haben.

© dapd

Einem DNA-Gutachten zufolge zeugte Detlef S. mit seiner Adoptivtochter acht Kinder. Sieben leben heute bei ihr, eines ist gestorben. Allerdings ist die Zeugung dieser Kinder nicht angeklagt. Einige der Taten sind verjährt. Andere standen nie unter Strafe, weil die Adoptivtochter bereits volljährig war.

Wer ist dieser Mann? Der Angeklagte fängt an, über sich zu erzählen. Da verlässt sein Sohn mit Tränen in den Augen den Saal. Er will nichts von dem mutmaßlichen Familientyrann hören. Das Leben von Detlef S.: Hauptschulabschluss, Bauarbeiterlehre, Job als Lkw-Fahrer. Seit 2003 ist er arbeitslos. „Ich wurde schlecht vermittelt“, behauptet er. Dann räumt sein Anwalt ein: „Ja, Detlef S. ist der Vater der sieben Kinder seiner Adoptivtochter.“ Die Vorwürfe der Anklage bestreitet er im Namen seines Mandanten.

Als Detlef S. sich, wie es in der Anklage steht, Ende der 80er Jahre an seinem Adoptivsohn und dessen Zwillingsschwester verging, waren beide damals erst vier oder fünf Jahre alt. Detlef S. soll zu ihnen gesagt haben: „Das tut nicht weh. Ihr werdet sehen, das ist gut!“ Seine Tochter (18) habe er, so die Anklage, erstmals 2001 missbraucht. Sie war damals neun Jahre alt. Während der Tat sagte er ihr, dass „das etwas ganz Tolles“ ist. Von 2006 bis 2009 zwang er sie einmal pro Woche zum Sex, so die Anklage.

Seine Tochter wie seine Adoptivtochter soll Detlef S. jeweils zu unterschiedlichen Zeiten nach Straßenhaus gebracht haben. Dort zwang er das jeweilige Mädchen zum Sex mit zwei Männern. Manchmal verging er sich auch an ihm. Er kassierte von jedem der Männer rund 40 Euro. Ein Mädchen soll er beim ersten Mal mit Schnaps gefügig gemacht haben. Dann forderte er es laut Anklage auf zu grinsen und sagte zu einem der Männer: „Tu, was du möchtest.“

Das Missbrauchsdrama wurde bekannt, als die Tochter kurz vor ihrem 18. Geburtstag dem Angeklagten einen Brief schrieb. Darin wirft sie ihm sexuellen Missbrauch vor und nennt ihn ein „krankes pädophiles Stück Scheiße“. Ihre Schwester fand den Brief und gab ihn ans Jugendamt. Bei einer Verurteilung drohen dem Angeklagten 15 Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft hat zudem Sicherungsverwahrung beantragt.

Hartmut Wagner

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