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Prozess wegen Tötung von Zivilisten 1944: Neun deutsche NS-Täter in Italien verurteilt

In einem der letzten Prozesse gegen NS-Täter wurden neun Deutsche in Abwesenheit verurteilt. 1944 töteten sie 350 Zivilisten in Norditalien.

Es war ein großer, wenn auch symbolischer Prozess, weil die Angeklagten nicht im Gerichtssaal saßen. Neun deutsche NS-Täter sind in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Ein Militärgericht in Verona befand die früheren Wehrmachtsangehörigen am Mittwochabend für schuldig, im Frühjahr 1944 an Massakern in Norditalien beteiligt gewesen zu sein. Dabei starben insgesamt mehr als 350 Zivilisten, wie italienische Medien berichteten. Drei Angeklagte waren während des im Herbst 2009 begonnen Prozesses gestorben. Zwei weitere Angeklagte wurden freigesprochen.

Die damit in erster Instanz verurteilten Deutschen gehörten der Fallschirm-Panzerdivision „Hermann Göring“ an. 67 Jahre nach den Bluttaten in mehreren Dörfern der Toskana und in der Emilia sind sie heute zwischen 85 und 93 Jahre alt. Der Älteste ist ein ehemaliger Leutnant und Zugführer der Wehrmacht aus Osnabrück. Im Zuge der als „Partisanenbekämpfung“ ausgegebenen Massaker wurden auch eine Reihe von Ortschaften in der Toskana und der Emilia Romagna niedergebrannt.

Deutschland weigere sich bis heute, Täter aus der NS-Zeit ohne ihr Einverständnis auszuliefern, so hatte eine Prozessbeobachterin der Region Reggio Emilia vor der Urteilsverkündung kritisiert. Ähnliche Klagen hatte es auch nach anderen NS-Prozessen in Italien gegeben. Dass diese so spät abgewickelt werden, liegt an dem erst im Jahr 1994 aufgefundenen „Armadio della vergogna“ (Schrank der Schande): Offensichtlich auf Druck der Alliierten und unter anderem wohl mit Rücksicht auf den deutschen Partner im Kalten Krieg waren zahllose Akten über NS-Untaten über mehrere Jahrzehnte hinweg „archiviert“.

Der deutsche Anwalt des 93-jährigen Ex-Leutnants prangerte dagegen in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ dieses an: „Der Staatsanwalt hat meinen Mandanten noch nie gesehen.“ Für den hochbetagten Angeklagten sei eine Reise nach Verona einfach zu beschwerlich gewesen, und eine Vernehmung in Niedersachsen habe die italienische Seite abgelehnt. Im Übrigen habe sein Mandant auch von Anfang an seine Unschuld beteuert. Der Jurist kündigte Berufung an. „Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft war unfair“, sagte der Anwalt.

Lesen Sie mehr zum Prozess im 2. Teil.

Vertreter von Städten und Gemeinden und Angehörige der umgebrachten Zivilisten, darunter vor allem Frauen und Kinder, hatten den Prozess verfolgt und die Urteilsverkündung am späten Abend mit absolutem Schweigen aufgenommen. „Damit schließt sich ein blutiges Kapitel, endlich gibt es Gerechtigkeit für die Opfer und für ihre Angehörigen“, erklärte Demos Malavasi von der Provinzregierung Modena später. Von einem „historischen Urteil“ sprach Italo Rovali als ein Vertreter der Angehörigen jener Menschen, die den Bluttaten zum Opfer fielen.

Der Bürgermeister der von einem besonders schweren Massaker betroffenen toskanischen Gemeinde Stia bei Arezzo, Stefano Milli, kommentierte das Urteil so: „Jetzt gibt es Frieden für eine Kommune, die mit diesem Schandfleck seit fast 67 Jahren leben musste.“ Stias Ortsteil Vallucciole beklagte mit 108 Toten die meisten Opfer. Das Massaker dort war ein Vergeltungsakt für getötete deutsche Offiziere.

Für die noch lebenden und sehr betagten Angehörigen der ermordeten Frauen und Kinder bleibe doch eines, so Milli: „Eine offene Wunde.“ Zumal die jetzt Verurteilten nie ihre Haftstrafe antreten werden. (dpa)

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