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Brutale Gewalt. Die Attacke auf den französischen Gendarmen Daniel Nivel in Lens.

© dpa

Prozessauftakt in Berlin: Vom Hooligan zum Dealer

Als Hooligan war er an der Prügelattacke auf den französischen Polizisten Daniel Nivel beteiligt. Nun steht Christopher R. wieder vor Gericht. Wegen bandenmäßigen Drogenhandels.

Hooligan, Rocker, Dealer. Wenn Christopher R. nun auf die Anklagebank kommt, sitzt er hinter Panzerglas. Massive Sicherheitsvorkehrungen wurden angeordnet. Vor fast 17 Jahren gehörte R. zu jenen wie entfesselt auftretenden Hooligans, die während der Fußballweltmeisterschaft den französischen Polizisten Daniel Nivel halbtot geprügelt hatten. In Ausübung seines Dienstes am Rande des Vorrundenspiels Deutschland – Jugoslawien in Lens war Nivel am 21. Juni 1998 in einer Straße der Stadt schwer misshandelt worden. Er lag sechs Wochen lang im Koma. Der heute 60-Jährige kann nur mühsam sprechen und ist auf einem Auge blind.
R. tauchte später in der Potsdamer Hells-Angels-Szene auf. Von diesem Montag an stehen der 39-Jährige und drei weitere Männer wegen bandenmäßigen Drogenhandels vor dem Landgericht Berlin.
Es geht um Zutaten für die Herstellung gefährlicher Psycho-Drogen wie Crystal Meth. Christopher R. und Maik J., 36, sollen sie zentnerweise in Tschechien gekauft, in Deutschland zwischengelagert und dann an illegale Labore in den Niederlanden geliefert haben. Die geschmuggelten Mengen hätten ausgereicht, um bis zu 870 Kilogramm marktüblich gestrecktes Amphetamin herzustellen, so die Anklage. Ein Millionengeschäft.

1999 wurde er zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt

Christopher R. hat Erfahrung als Angeklagter. Der gelernte Elektroniker gab sich im Prozess vor dem Essener Landgericht unbeteiligt, als es um die Gewalt ging – damals, am 21. Juni 1998 im französischen Lens, als er und weitere deutsche Hooligans angriffen und weltweit für Entsetzen sorgten. In einer Gasse gingen sie auf Daniel Nivel los. Mit einem Holzschild, mit Fäusten und Tritten. Sie schlugen dem 43-jährigen Familienvater den Schädel ein.

Als einer der Schläger wurde Christopher R. im November 1999 in Essen zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung. Er hatte beteuert, „sechs bis sieben Meter“ hätten ihn stets von dem Beamten getrennt. Einer von drei Mittätern erhielt in dem Prozess zehn Jahre Haft wegen Mordversuchs. Ermittler zählten R. zum harten Kern der Hools aus dem Umfeld des einstigen DDR-Rekordmeisters BFC Dynamo – eingestuft als Problem-Fan der „Kategorie C“ und damit als gewaltbereit registriert. Ein nächstes Strafverfahren gegen R. im Jahr 2000 belegte Aktivitäten des Fußballrowdys auch in einem anderen Milieu: Ein Handel mit etwa 500 Ecstasy-Pillen brachte ihn vor das Landgericht Berlin. Zudem ging es um eine geplante Fahrt nach Amsterdam als Drogenkurier.

2000, im Rauschgift-Prozess, gab er sich geläutert

Im damaligen Rauschgift-Prozess präsentierte sich R. von einer anderen Seite: Fast geläutert wirkte er, gab Neugierde als sein Motiv an und gestand einen Teil der Vorwürfe. Er sprach über seine Zeit als Türsteher in Diskotheken, die mit 18 Jahren begonnen und ihn zu der Erkenntnis geführt habe, „dass der, der die Tür kontrolliert“ auch die Drogen kontrolliere. Er erhielt unter Einbeziehung des Urteils aus Essen fünf Jahre Gefängnis.
Die Entscheidung schien milde und war eine Chance für den Ex-Hooligan. Sechs Jahre später aber galt er als führender Hells-Angel-Rocker in Potsdam. Im Jahr 2010 wurde er dann auf der Ferieninsel Mallorca aktiv. Er soll versucht haben, eine Rocker-Truppe aufzubauen. Es endete, so hieß es, mit einem Zerwürfnis im Streit um Geld. Seitdem soll R. zwischen Mallorca und Berlin gependelt sein.
Rauschgiftermittler hatten ihn seit November 2012 im Visier. Als er und seine mutmaßlichen Komplizen im Juni vorigen Jahres verhaftet wurden, stellten die Fahnder rund zwei Zentner an Chemikalien für synthetische Drogen sicher. Einer der vier Verdächtigen packte aus: Gerd M., 61 Jahre. Auch zum Schutz dieses Angeklagten, der Transporteur und Bunkerhalter gewesen sein soll, sind die Sicherheitsmaßnahmen massiv.

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