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Er gibt alles. Herbert Grönemeyer hat sich auf der Bühne oft verletzt – Kreuzbandriss, Innenbandriss, Meniskusverletzung. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Panorama: Quieken im Sessel

Wie Herbert Grönemeyer für seine „Schiffsverkehr“-Tour wirbt – Leben zwischen Berlin und London.

Das Erste, was man von Herbert Grönemeyer hört, ist ein lautes Quieken aus einem roten Plüschsessel. „Huch, die Journalisten kommen“, soll das wohl heißen. Doch der Schreck ist nur gespielt. Denn tatsächlich gibt sich der 55-Jährige in der Bibliothek des Soho-House in Berlin-Mitte ganz entspannt und fröhlich. Dorthin hatte er am Donnerstag eingeladen, um Werbung für seine „Schiffsverkehr“-Tour zu machen, die am 17. Mai 2012 in Belgien startet. Aufstehen kann Grönemeyer allerdings nicht, um seine Gäste zu begrüßen. Neben seinem Sessel steht eine Krücke und das rechte Bein hält er gestreckt. „Ich habe mir auf der Bühne einen Innenbandriss zugezogen“, erzählt er und massiert während des Interviews mit der einen Hand oft leicht sein Knie, während die andere wiederholt in die Keksschale greift. Beim letzten Konzert im Berliner Olympiastadion im Juni dieses Jahres war es bereits der Meniskus, der nicht hielt.

Schon im Jahr 2000 hatte es den Sänger in Berlin auf der Bühne erwischt. Damals war es ein Kreuzbandriss und er absolvierte den Rest des Konzerts am Brandenburger Tor im Sitzen und teilweise mit schmerzverzerrtem Gesicht. „Ich gebe eben immer alles. Man kennt mich nicht umsonst als einen der größten Fred Astaires Deutschlands“, unkt Grönemeyer, der für seine exaltierten und nicht gerade turnierreifen Tanzbewegungen berühmt ist. „Wie ein angestochenes Rennpferd oder ein verrücktes Känguru“, beschreibt er selbst seinen Tanzstil. Jetzt im fortgeschrittenen Alter müsse er sich langsam etwas überlegen, seine Auftritte etwas cooler aussehen zu lassen.

Selbstironie ist nie fern, wenn Grönemeyer über sich und sein Leben spricht. Daher wohne er auch einen Teil seiner Zeit so gern in London, erzählt der Sänger. „Der Engländer liebt es, über sich zu lachen.“ Und habe einen großen Hang zum Chaos und zur Improvisation – ganz anders als der Deutsche. Doch nichtsdestotrotz verbringt Grönemeyer viel Zeit in Deutschland. Sein Plattenlabel, Grönland Records, befindet sich nicht weit vom Berliner Mauerpark, und seit den 90er Jahren besitzt er eine Villa in Zehlendorf. Bei der Sanierung und dem Anstreichen half damals ein junger Mann namens Anis Ferchichi mit, der später als Bushido bekannt werden sollte. In Berlin wohnt Grönemeyer viele Wochen des Jahres immer noch. „Meine Tochter studiert in Berlin und ich genieße die Weite und Gelassenheit der Stadt im Gegensatz zum engen, dynamischen London“, sagt Grönemeyer. Auch wenn es in Berlin leider undenkbar sei, im Straßenverkehr nach dem Blinkersetzen von jemandem höflich in eine Lücke gewunken zu werden.

Nun soll es in seiner zweiten Heimat am 31. Mai nicht wieder das Olympiastadion, sondern die intimere Waldbühne sein. Auch wenn der Ort für Grönemeyer, der die große Nähe zu seinen Fans an sich sehr schätzt, nicht nur Angenehmes bereithält: „Hier werde ich immer mit Erinnerungen an das letzte Konzert mit meiner Frau konfrontiert“, sagt der Sänger, dessen Frau, Mutter seiner beiden Kinder, 1998 gestorben ist.

Schon in diesem Jahr war Grönemeyer mit seinem aktuellen Album „Schiffsverkehr“ auf Tour, doch 2012 sollen es nun nach den großen Stadien die kleineren Bühnen sein. „Das zweite Tour-Jahr ist immer entspannter. Die Menschen kennen die Platte besser und für die Band ist es mehr wie eine Feier“, erzählt er. Auch wenn er nach wie vor von heftigem Lampenfieber geplagt sei. Oft mische er sich, bis er entdeckt werde, vor dem Konzert einige Zeit mit einer Mütze unter das Publikum und denke: „Das ist verrückt, dass die alle meinetwegen hier sind.“ Wenige Minuten vor dem Auftritt hilft dann nur noch eins: Lemongras-Reis mit Hühnerbeinen. „Als Kind hab ich die nämlich als Jüngster von drei Brüdern nie bekommen, immer nur die Brust“, erzählt Grönemeyer und lacht dabei über seinen Hühnerbein-Spleen. Und da ist er wieder, der Junge von nebenan, der zwar nicht tanzen kann, aber für alle kleinen Schwächen der Menschen ein großes Lächeln hat.

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