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Panorama: Raser-Prozess: War er’s?

Sogar Testkollegen hatten Angst, bei „Turbo-Rolf“ mitzufahren

Der Prozess gegen den Autobahndrängler von Karlsruhe, der am 14. Juli 2003 den Tod einer 21-jährigen Fahrerin und ihrer zweijährigen Tochter verschuldet haben soll, steht vor dem Abschluss. Am heutigen Montag sollen Staatsanwalt und Verteidigung mit ihren Plädoyers beginnen. Am Mittwoch will die Vorsitzende Richterin Brigitte Hecking das Urteil über den angeklagten Versuchsingenieur von DaimlerChrysler sprechen. War er’s oder war er’s nicht?

Vier Zeugen haben in dem Verfahren zentrale Bedeutung. Keiner hat alles gesehen, aber jeder einen Teil. Alle vier Zeugen waren wenige hundert Meter entfernt, als Jasmin A. und Tochter Rebecca auf der A 5 im Kia von der linken Spur quer über die Autobahn schossen und gegen einen Baum prallten. Beide waren sofort tot. Der Unternehmer Hans-Peter M. überholte zunächst selbst den hochmotorisierten Daimler mit der Doppelauspuff-Anlage. Er dachte noch, „dass so ein Auto so langsam fährt“. Das änderte sich sofort. Hans-Peter M., der selbst 220 bis 230 km/h fuhr, wurde von dem „hochmotorisierten" Daimler auf der linken Spur „sehr zügig" überholt. Danach, der Daimler war etwa 500 Meter weiter, sah er einen Kleinwagen nach rechts ausbrechen und in den Wald schießen. Der Unternehmer erinnerte sich, dass es ein dunkler Mercedes mit Doppelauspuff-Anlage und der Böblinger Nummer BB war. Ein zweiter Zeuge, der etwa zweihundert Meter hinter dem Kia des Opfers auf der mittleren Spur fuhr, sah den Daimler im Rückspiegel auf der linken Spur in rasantem Tempo heranfahren. Er erkannte Doppelscheinwerfer. Der Drängler fuhr nach seiner Aussage so dicht auf, als ob er den Kia „wegschubsen" wolle. Gleich danach geschah der Unfall, der Zeuge stoppte und rief die Polizei mit seinem Handy an.

Das tat auch der Beifahrer eines Transit-Wagens. Chef und Geselle hatten gerade einen Lastwagen überholt und fuhren mit 100 bis 120 km/h auf der Mittelspur. An ihnen zog Jasmin A. mit ihrem Kia auf der linken Spur vorbei. Der Handwerksmeister und sein Mitarbeiter waren am nächsten am Geschehen, als Jasmin A. und Tochter Rebecca wenige Sekunden später starben. Denn kurz nach ihrem eigenen Überholmanöver „rauschte" der dunkle Mercedes auf der linken Spur heran und fuhr dicht auf. Bremslichter sah der Handwerker nicht, aber er erkannte, dass es ein Coupé mit kurzem Heck war, keine Limousine. Danach geschah das, was alle Zeugen identisch beschrieben. Der Beifahrer rief noch während der Bremsung die Polizei an.

Wütende Richterin

Aus diesen Puzzlesteinen meint die Anklage beweisen zu können, dass nur Rolf S. mit seinem CL 600 der Drängler gewesen sein kann. Der Angeklagte bestreitet nach wie vor, gedrängelt zu haben. Ja, er fuhr an diesem Morgen von Sindelfingen zur Teststrecke nach Papenburg ins Emsland. Er hatte das Kennzeichen BB-AA und die Doppelauspuffanlage, sein Wagen hat auch den doppelten Scheinwerfer und ist ein Coupé. Aber auch andere Daimler-Mitarbeiter waren an diesem Morgen auf der Strecke, nämlich sein Arbeitskollege H., der mit einem S-Klasse-Wagen fuhr. Die Verteidigung wies immer wieder auf H. als den möglichen Drängler hin. Kollege H. will zwar viel früher losgefahren sein, aber seine angeblich frühe Abfahrtszeit ist unglaubwürdig. Tatsächlich galt auch H. als Raser – kann nicht er es gewesen sein? Nein, meint die Anklage. Denn sein S-Klasse-Wagen hat nicht die getrennten Doppelscheinwerfer, die ein Zeuge sicher erkannt haben will und war auch kein Coupé. Mitarbeiter von Daimler-Chrysler brachten die hervorragend vorbereitete Richterin Brigitte Hecking zweimal zum Wutausbruch, weil sie „mauerten", sich widersprachen und „sich die Würmer aus der Nase ziehen" ließen. „Ich habe jetzt die Schnauze voll", sagte Hecking einmal.

Andere bestätigten, dass „Turbo-Rolf" äußerst riskant gefahren sei und damit prahlte, auf der Teststrecke einmal knapp 300 km/h erreicht zu haben. Zwei Kollegen fuhren aus Angst nicht mit ihm mit.

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