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Südstaatlerin durch und durch. Paula Deen mit Anhängerinnen.

© dpa

Rassismus in den USA: Aufstieg und Fall der TV-Köchin Paula Deen

Fettes Essen machte sie berühmt, das „N-Wort“ ruinierte sie. Paula Deen, überzeugte Südstaatlerin, war eine der erfolgreichsten Fernsehköchinnen, weil sie gegen den Trend ungesundes Essen propagierte. Damit ist es vorbei.

Es gibt nicht viele positive Klischees über die amerikanischen Südstaaten. In der drückenden Sommerhitze leben religiöse Fanatiker in Wohnwagensiedlungen, ein großer Teil der Bevölkerung ist ungebildet und rassistisch, die lokale Küche ungesund. Man mag „Comfort Food“, fettige oder süße Kalorienbomben, die den von Alltagssorgen gestressten Körper betäuben.

Die First Lady des Comfort Food ist Paula Deen. Die 66-Jährige mit dem schlohweißen Haar stammt aus Albany im Bundesstaat Georgia und wuchs in einer Zeit auf, als es in den städtischen Parks Bänke für Weiße und Bänke für Schwarze gab, als man noch „Nigger“ sagte und diese im Bus auf den hinteren Plätzen fuhren. Die gläubige Baptistin heiratete früh ihren Schulfreund und hat zwei Kinder. Dann schlug das Schicksal zu. Ihre Eltern starben früh, die Ehe ging in die Brüche, sie bekam Panikattacken. Sicher und aufgehoben fühlte sie sich nur in der Küche.

Fernsehköchin Paula Deen reicherte fette Cremetorte mit zusätzlichem Zucker und Sahne an

Da bewies sie Talent. Paulas „Comfort Food“ – ihre Schinkennudeln, ihre fetten, sahnigen Desserts – kam gut an, und mit nur noch 200 Dollar auf dem Konto gründete sie einen kleinen Cateringservice. Bald folgte das erste Restaurant, dann ein Kochbuch. Die Rezepte darin waren ein Renner. Da wurde frittiert, was das Zeug hielt, ihr Frühstücksburger war ein Viertelpfünder mit sechs Lagen Speck und Spiegelei. In „Lunch-Box Set“, einem Kochbuch für Kinder, warb Deen für Käsekuchen zum Frühstück und Schokokuchen zum Mittagessen, auf der Abendkarte standen Fleischklöpse mit Pommes und zum Dessert gab es „Twinkie Pie“. Dafür wurde der berüchtigte Cremekuchen aus dem Supermarkt noch mit extra Zucker und Sahne angereichert. Die Nebenwirkungen von Paula Deen’s Küche waren nicht von der Hand zu weisen: Übergewicht, Zahnprobleme, Diabetes.

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Wie ungesund ihr Essen war, wusste sie. Im Januar 2012 gab sie zu, selbst an Diabetes zu leiden. Sie war bereits drei Jahre vorher diagnostiziert worden, sie behielt ihre Krankheit aber für sich, um weiter ungestört kochen zu können – in Büchern und im Fernsehen, wo ihre Show beim „Food Network“ längst zu den erfolgreichsten Programmen gehörte. Dass sie sich schließlich doch als Patientin outete, hatte einen finanziellen Hintergrund: Der skandinavische Insulinhersteller Novo Nordisk hatte Deen als Werbepartner angeheuert. Die Frau, deren Fernsehmenüs den Amerikanern Diabetes bescherte, verkaufte jetzt das Gegengift.

Mit ihrem südstaatentypischen Essen baute sich Paula Deen ein Imperium auf – mit ihrem südstaatentypischen Rassismus riss sie es jetzt wieder ein. Alles begann mit der Klage einer Mitarbeiterin, die sich über rassistische Äußerungen der Chefin beschwerte. Ein Richter wollte daraufhin wissen, ob Deen das „N-Wort“ benutze. Das war der Anfang vom Ende, denn Deen gab das freimütig zu. In Georgia gehörte das Wort in ihrer Jugend durchaus zum allgemeinen Sprachgebrauch und Deen wollte es auch „nur ein einziges Mal“ benutzt haben, und zwar nach einem Banküberfall, bei dem ein schwarzer Mann ihr eine Pistole an den Kopf gedrückt habe. Doch ob mit oder ohne „N-Wort“, rassistische Gedanken konnte Paula Deen wohl nie ganz ablegen. Für die Hochzeit ihres Bruders regte sie einen „Plantagen-Look“ an mit ausschließlich schwarzen Kellnern – um an die Zeit der Sklaverei im Süden zu erinnern. Die Idee sei ihr gekommen, als sie in einem Restaurant von schwarzen Kellnern in weißen Jacketts bedient worden sei. „Das war beeindruckend“, schwärmte sie vor Gericht. „Das ganze Restaurant erinnerte an eine andere Zeit in Amerika, vor dem Bürgerkrieg. Da bedienten nur Schwarze, ich würde sagen, es waren Sklaven.“

Außerhalb ihrer Sklaven-Fantasien scheinen Schwarze bei Paula Deen vor allem in Witzen vorgekommen zu sein. Sie selbst und ihr Bruder hätten oft Witze über Schwarze, Schwule und Juden gemacht, gab Deen in der gerichtlichen Anhörung zu.

TV-Köchin Paula Deen provozierte mit ihrem Rassismus einen Aufschrei der Medien

Dem anschließenden Aufschrei in den Medien folgte eine Reihe von Entschuldigungen, die Paula Deen letztlich bis zur „Today Show“ führten, dem wichtigsten US-Frühstücksprogramm. Doch der Auftritt ging daneben. Deen bat um Verständnis. Wer noch nie einen Fehler gemacht habe, werfe doch einen ersten Stein auf sie. Dazu gab es verkorkstes Englisch aus Georgia: „I is what I is“ – „Nehmt mich so, wie ich bin“.

Doch als Rassistin will man sie eben nicht. Mittlerweile ist ein Großteil ihres ungesunden Imperiums zusammengebrochen. Paula Deens Sender „Food Network“ hat ihr Programm abgesetzt, Caesars Entertainment hat ihren Namen von vier Restaurants abgeschraubt. Der Fleischproduzent Smithfield, bei dem Deen eine eigene Schinkenreihe bewarb, löste den Vertrag auf. In den beiden größten Kaufhausketten Wal-Mart und Target sowie bei vier anderen Ketten sind Paula-Deen-Produkte aus den Regalen verschwunden, auch der Einkaufsender QVC lässt sie nicht mehr auf den Bildschirm. Selbst Novo Nordisk hat entschieden, seine Diabetesmittel künftig ohne sie zu vermarkten. Nur einen Lichtblick gibt es für Paula Deen: Ihre Bücher finden reißenden Absatz und haben es dank der jüngsten Kontroverse bei Amazon sogar auf Platz eins geschafft – wohl dank zahlreicher Bestellungen aus den Südstaaten.

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