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Des Doppelmordes angeklagt. Jan O. kommt am Mittwoch zum Prozessauftakt im Landgericht in Göttingen.

© dpa

Rausch der Grausamkeit: Doppelmord in Bodenfelde vor Gericht

Ein 26-Jähriger steht vor Gericht, weil er in Bodenfelde zwei Jugendliche grausam umbrachte. In seinem Geständnis räumt er auch kannibalistische Handlungen ein. Zum Prozessauftakt lässt der Angeklagte zunächst aber nur seinen Anwalt sprechen.

Jan O. hat sein Geständnis zum Mord an Nina und Tobias in der Untersuchungshaft schriftlich verfasst. Zum Auftakt des Prozesses um den Doppelmord von Bodenfelde räumte der Anwalt des 26-Jährigen die Vorwürfe erneut ein. Der Angeklagte selbst versteckte sich vor den Fotografen hinter einer Aktenmappe.

Vor dem Landgericht im niedersächsischen Göttingen hatten zahlreiche Menschen - darunter Mitschüler - Kerzen aufgestellt. An den Eingängen erinnerten sie mit handgeschriebenen Zetteln an Nina und Tobias. Im vergangenen Herbst erstach Jan O. nach dem Geständnis die 14 Jahre alte Nina in einem Wäldchen nahe dem niedersächsischen Ort Bodenfelde. Zuvor hatte er versucht, sie zu vergewaltigen. Fünf Tage später brachte er den 13-jährigen Tobias grausam um. Der suchtkranke Angeklagte hat schriftlich erklärt, an der Leiche des Mädchens auch kannibalistische Handlungen vorgenommen zu haben.

Bei einem Schuldspruch kommt der Mann möglicherweise in die Psychiatrie. Denn ein Gutachter war bereits vorher zu dem Schluss gekommen, dass er allenfalls eingeschränkt steuerungsfähig war. Der Staatsanwalt ergänzte am Mittwoch, Jan O. sei aber einsichtsfähig.

Das erste Opfer des Angeklagten war am 15. November des vergangenen Jahres die 14-Jährige. Er wollte Nina laut Anklage in dem Wäldchen vergewaltigen. Als die Schülerin sich wehrte, habe er sie gewürgt, getreten, mit einer vollen Bierflasche geschlagen und schließlich erstochen.

Er habe auch kannibalistische Handlungen begangen. Im Internet prahlte Jan O. einen Tag nach dem Mord: "Gestern Mädchen geschlachtet." Später traf der Angeklagte den 13 Jahre alten Tobias. Er hielt ihn wohl zunächst auch für ein Mädchen. Jan O. soll ihn in das Wäldchen gezerrt und ebenfalls grausam getötet haben. Die Eltern von Tobias sind im Prozess durch einen Anwalt vertreten. Die Mutter der ermordeten Nina nimmt als Nebenklägerin an der Seite ihres Rechtsbeistandes selbst an dem Verfahren teil. Jan O. war schon vor den Morden wegen Straftaten aufgefallen.

Nach Einschätzung des Göttinger Kriminologen Prof. Jörg-Martin Jehle werden junge Kleinkriminelle aber nur in seltenen Fällen zu schweren Gewalttätern wie der mutmaßliche Doppelmörder von Bodenfelde. "Solche Gewalttaten sind die extreme Ausnahme." Von den mehr als 300.000 jungen Menschen, die jährlich mit der Justiz in Berührung kämen, fielen nur etliche Dutzend mit vergleichbar schweren Gewalttaten auf.

Einiges deute auf eine massive Vorbelastung des Angeklagten in der Kindheit und Jugend hin, sagte Jehle. "Wir haben es vermutlich mit einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Form einer Persönlichkeitsstörung zu tun." Hinweise auf solche Auffälligkeiten könnten auch eine Brandstiftung des Angeklagten und der Drogenmissbrauch sein. Ein starkes Indiz für eine Persönlichkeitsstörung seien die kannibalistischen Handlungen.

Mögliche Fahndungspannen vor dem Fund der Leichen sind zunächst nicht Gegenstand des Prozesses. So hatte der Angeklagte vor der Tat gegen Bewährungsauflagen verstoßen. Man hätte ihn deshalb in Haft nehmen müssen, hatte der Bürgermeister von Bodenfelde gesagt. Für schwere Gewalttaten habe es aber keine Anzeichen gegeben, hatte indes die Staatsanwaltschaft erklärt. Nach Ninas Verschwinden hatten ihre Eltern eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Da die Schülerin aber schon öfter weggelaufen war, verzichtete die Polizei auf eine öffentliche Fahndung. Für den Prozess hat die Schwurgerichtskammer zunächst elf Verhandlungstage bis Ende Mai angesetzt.

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