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Revisionsprozess: Eltern der verhungerten Jacqueline erneut angeklagt

Eine Erklärung hat der Vater der verhungerten Jacqueline bis heute nicht: Im Revisionsprozess gegen ihn und seine Frau hat er allerdings seine Überforderung eingeräumt. Die Eltern aus Gießen haben ihre 14 Monate alte Tochter nicht mehr versorgt, bis sie starb.

Im Revisionsprozess gegen die Eltern der verhungerten Jacqueline vor dem Landgericht Gießen hat der Vater des Kindes am Montag seine Überforderung mit der damaligen Situation eingeräumt. Seine Arbeit als Industriemechaniker und die Renovierung des Hauses in Bromskirchen (Landkreis Waldeck-Frankenberg) seien ihm damals über den Kopf gewachsen, sagte der 35-jährige Angeklagte zum Prozessauftakt. Die 23-jährige Mutter schwieg am ersten Prozesstag zu den Vorwürfen.

Der Angeklagte gab an, er habe irgendwann nicht mehr regelmäßig nach seinem Kind gesehen. Auf die Frage des Gerichts, weshalb er Zeit für den Umbau und die Haustiere gehabt habe, allerdings nicht für das Kind, sagte der 35-Jährige: "Wenn ich eine Erklärung hätte, wäre ich ein Stück weiter."

Vater: "Auf die Kleine gefreut und stolz gewesen"

Erst am Tag der Geburt habe er von der Schwangerschaft seiner Frau erfahren. "Ich habe mich auf die Kleine gefreut und war stolz", sagte der 35-Jährige unter Tränen. Deshalb habe er das Obergeschoss des Hauses für das Kind hergerichtet. In der Anfangszeit habe er regelmäßig nach seiner Tochter gesehen, sich an der Versorgung allerdings nicht beteiligt.

Als ihm aber mit der Renovierung des Hauses und den Veränderungen im Beruf alles zu viel wurde, habe er auch nicht mehr nach dem Kind gesehen. Er habe seine Frau nach dem Mädchen gefragt, diese habe ihn jedoch abgewimmelt, gab der Angeklagte an. "Mit der Schuld muss ich den Rest meines Lebens klarkommen."

Die Vernachlässigung des Kindes durch die Eltern löste beim Gericht umso größeres Befremden aus, da die beiden Hunde offenbar stets gut versorgt waren. Ein bis zweimal täglich unternahm der Angeklagte mit den Tieren nach eigenen Angaben Spaziergänge. Von den sieben Aquarien fand die Polizei lediglich das Becken im Obergeschoss in einem schlechten Zustand. Nach Aussage des Angeklagten war dafür seine Frau verantwortlich.

Lebensbedrohlicher Zustand nicht aufgefallen

Er habe den Zustand seiner Tochter nicht erkannt, führte er weiter aus. Dass Vorsorgeuntersuchungen nicht vorgenommen wurden, sei ihm nicht komisch vorgekommen, denn er habe nicht gewusst, in welchen Abständen diese erfolgen sollten. Seine Frau habe abgelehnt, wenn er anbot, sie und das Kleinkind zum Kinderarzt zu bringen.

Als er seine Tochter zum letzten Mal gesehen habe, habe er nicht den Eindruck gehabt, dass sie in einem lebensbedrohlichen Zustand sei. Etwas dünner habe sie vielleicht gewirkt. "Kinder nehmen sowieso immer ab, wenn sie zu krabbeln oder laufen anfangen", rechtfertigte sich der 35-Jährige.

Jacqueline wog zuletzt nur noch sechs Kilo

Die 14 Monate alte Jacqueline war im März 2007 an einer Hirnschwellung infolge mangelnder Ernährung und Flüssigkeitszufuhr gestorben. Die Eltern hatten die Pflege und Versorgung des Kindes binnen weniger Wochen weitgehend eingestellt. Das Kind war nach Angaben der Staatsanwaltschaft so wund, dass sich die Haut vom Bauchnabel abwärts ablöste und das Kleinkind unter großen Schmerzen litt. Zum Schluss wog Jacqueline nur noch sechs Kilogramm, etwa halb so viel wie für ein Kind in dem Alter üblich.

Das Landgericht Marburg hatte die Eltern im Januar 2008 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Mutter wurde wegen Totschlags durch Unterlassen und Misshandlung Schutzbefohlener zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Gegen ihren Ehemann waren drei Jahre und drei Monate Haft wegen fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Körperverletzung verhängt worden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil im September jedoch wegen Rechtsfehlern und Lücken in der Beweiswürdigung auf.

Caroline Wadenka[ddp]

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