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Alexander Saldostanow, Präsident der "Nachtwölfe", fuhr mit seinen Bikern im August auf die Krim.

© Imago

Rockerclub "Nachtwölfe": Wladimir Putin und sein Rudel

Die „Nachtwölfe“ sind Russlands größter Rockerclub - und dem Kreml eine große Hilfe, gerade in der Ukraine-Krise. Mit einer Europatour von Moskau nach Berlin wollen sie den Sieg über Hitler-Deutschland feiern, am 9. Mai auch in der deutschen Hauptstadt. Sie könnten aber schon vorher scheitern.

Es dröhnt in der Ferne, so als ob sich ein Erdbeben ankündigt. Dann bebt die Erde wirklich, das Dröhnen der Motoren schwillt zum Heulen an, und dann sieht man sie. In geschlossener Formation brausen sie – schwarz behelmt – auf ihren schweren Feuerstühlen heran: Die Augen hinter dunkel getönten Gläsern verborgen, die Füße in schweren ledernen Schnürstiefeln. Auf ihren dunkelgrauen Lederjacken im martialischen Military-Look ist ein Wolfskopf eingestanzt, die Zähne gefletscht und von Flammen umlodert. Als Tattoo prangt das Tier auch auf den muskelbepackten Oberarmen, die die Biker in der warmen Jahreszeit gern zeigen.

Von Moskau nach Berlin

„Nachtwölfe“ nennt sich Russlands größter Biker-Club, berühmt und berüchtigt. Die rund 5000 Mitglieder lassen nicht nur die Herzen vieler Mädchen von Kaliningrad bis Kamtschatka schneller schlagen, sie treiben auch Nationalisten und anderen Gralshütern konservativer Werte Schauer der Erregung über den Rücken. So wie die „Nachtwölfe“ hat er auszusehen, der starke russische Mann. Der Sieger. Gut kam bei den Fans daher an, dass die „Nachtwölfe“ zum 70. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg – Russland selbst spricht vom Großen Vaterländischen Krieg – den Weg der Sowjetarmee bis zum 9. Mai nach Berlin von Moskau quer durch Ost- und Mitteleuropa nachfahren wollen.

„Ziel ist es, das Andenken an diejenigen zu ehren, die beim Kampf gegen den Faschismus gefallen sind“, sagt Organisator Andrei Bobrowski. Mit der Tour wollten die „Nachtwölfe“ auch die „guten Beziehungen Russlands zu den befreiten Ländern“ – Weißrussland, Polen, Tschechien, die Slowakei und Österreich – stärken. Das dürfte angesichts der Differenzen zwischen Moskau und Europa wegen der Ukraine-Krise nicht ganz einfach sein. In Polen aber sehen längst nicht alle in der Roten Armee ihren Befreier vom Faschismus. Und viele sehen in Russland den Hauptschuldigen für die Entwicklungen in der Ukraine. Entwicklungen, bei denen auch die „Nachtwölfe“ mitmischten.

Die Biker mischen sich auch in den Ukraine-Konflikt ein

Beim Euro-Maidan in Kiew unterstützten sie prorussische Demonstranten. Schon Ende Januar 2014 patrouillierten sie erstmals in den Straßen ostukrainischer Städte wie Lugansk, die inzwischen von prorussischen Separatisten kontrolliert werden. Und Passagiere des Aeroflot-Linienflugs Moskau-Simferopol staunten nicht schlecht, als sich Ende Februar 2014 junge, kräftig gebaute Männer mit Wolfskopf auf dem Leder in der Business-Class fläzten.

Maskierte mit grüngefleckter Tarnkleidung ohne Erkennungszeichen – des Kremls Hilfstruppen für die Rückeroberung der Schwarzmeerhalbinsel, die dafür auch den Airport der Krim-Hauptstadt besetzt hatten – hätten die Biker-Bosse nach der Landung mit dem Victory-Zeichen begrüßt, erzählt ein Fluggast. Das Rudel kam später mit Hilfsgütern nach, patrouillierte mit den grünen Männern und richtete mit diesen Straßensperren und Kontrollpunkte ein.

Als Hardcore-Fans von Heavy Metal organisierten die „Nachtwölfe“ im August in Sewastopol, wo die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist, ein Konzert, auf dem sich vor allem patriotische Gruppen produzieren durften. Vor rund 100 000 Zuschauern feierten sie die Wiedervereinigung der Krim mit Russland. Leitwolf Alexander Saldostanow porträtierte die Ukraine dabei als von Faschisten kontrolliertes Land.

Saldostanow, heute 53 Jahre alt, hatte die „Nachtwölfe“ 1989 gegründet. Westliche Biker-Clubs lieferten zwar die Steilverlage, ihren eigenen nannten die Wölfe von Anfang an Motor-Club. Und von der „Generation Pepsi“ – die Limonade wird seit der Perestroika in Russland verkauft und galt den Teenies damals als Symbol für die Öffnung des Landes – grenzten die „Nachtwölfe“ sich von Anfang an ab. Der Club, sagt Saldostanow, der Medizin studiert hat und daher den Kampfnamen „Chirurg“ führt, sich in den wilden Neunzigern aber auch schon mal als Türsteher einer Russendisko in Berlin durchgeschlagen haben soll, sei eine „Bruderschaft“, ein Ritterorden wie im Mittelalter.

Putin schmückt sich gerne mit den Rockern

Auch weltanschaulich sind die „Nachtwölfe“ offenbar in der Zeitmaschine hängen geblieben. Angeblich apolitisch, tauchen sie überall dort auf, wo es darum geht, Russlands Stärke zu zeigen, gerieren sich als Schutztruppe des orthodoxen Christentums und traditioneller Werte: „Glaube, Kirche, Heimat“ steht in der Präambel der Statuten der „Nachtwölfe“. „Feminismus und dieses Schwulen-Geschwür müssen mit glühendem Eisen ausgebrannt werden“, tönte Alexei Waitz, Gründungsmitglied der „Nachtwölfe“ und inzwischen Vater von fünf Kindern, die er zu jenem ländlich-sittlichen Leben anhält, mit dem schon Lew Tolstoi und Alexander Solschenizyn die Russen von westlicher Dekadenz erlösen wollten. Wladimir Putin stört das nicht. Immer wieder zeigt er sich mit den „Nachtwölfen“. Um mit ihnen über die Straßen der Krim zu brettern, die damals noch zur Ukraine gehörte, ließ er 2012 den damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch geschlagene vier Stunden warten.

Die "Nachtwölfe" fahren auch nach Auschwitz

In Polen hat der geplante Transit der „Nachtwölfe“ eine große Kontroverse ausgelöst. Während die Regierung von einer „politischen Provokation“ spricht, planen rechtsextreme Oppositionskreise eine Unterstützungsfahrt. Ob die „Nachtwölfe“ am Grenzübergang der weißrussischen Stadt Brest überhaupt auf polnisches Gebiet fahren dürfen, ist unklar. Diesen Entscheid überlasse sie den Zollbehörden, sagte Premierministerin Ewa Kopacz. „Polen ist ein Rechtsstaat, den alle besuchen können, die sich an unsere Gesetze halten“, erklärte Außenminister Grzegorz Schetyna in der vergangenen Woche. Schetyna warnte die Medien vor einer „Nachtwölfe“-Hysterie, die nur dem Kreml in die Hände spielen würde.

Die „Nachtwölfe“ machen es gerade dem Außenminister besonders schwer. Die Biker änderten nämlich ihre Transitroute von Brest nach Wroclaw (Breslau) in letzter Minute und wollen nun am 29. April das einstige deutsche KZ Auschwitz in der Nähe von Krakau besuchen. Dort ist der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ zufolge ein Protest gegen Schetynas Aussage aus dem Januar geplant, wonach ukrainische und nicht russische Rotarmisten das Lagertor geöffnet hätten. Die „Nachtwölfe“ wollen nun im Beisein des Russischen Staatsfernsehens die russische Rolle bei der Befreiung des KZs betonen. Der Pressesprecher der KZ-Gedenkstätte hat die Anmeldung von 30 russischsprachigen Besuchern zu einer Museumsführung bestätigt.

Neben einer allgemeinen Bürgerpetition gegen den Transit der „Nachtwölfe“ haben polnische Motorradfreaks auch angekündigt, die Durchfahrt der Russen Ende April aktiv blockieren zu wollen. Dem widersprach kurz vor dem Wochenende der bekannte Biker Wiktor Wegryn. „Alle Motorradfahrer sind Brüder; wenn die ,Nachtwölfe’ angegriffen werden, helfen wir ihnen“, sagte er. Wegrzyn sitzt im Unterstützungskomitee des anti-ukrainischen Präsidentschaftskandidaten Grzegorz Braun. Die Wahlen finden in drei Wochen statt. Die „Nachtwölfe“ sollen Braun offenbar bei der Wahlkampagne helfen.

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