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Treffpunkt. Razzia in einem Vereinslokal der Rocker in Chemnitz.

© dpa

Rockerkrieg: Bundesweite Durchsuchungen gegen die Hells Angels

Erneut wurden bundesweit Wohnungen und Treffpunkte von Rockern durchsucht. Das gefundene Material soll Hinweise auf die Strukturen geben. Doch trotz der Razzien formieren sich immer neue Ableger.

Die Sicherheitsbehörden sind am Mittwoch erneut bundesweit gegen Rocker vorgegangen. Dabei durchsuchten Beamte die Wohnungen vor allem mutmaßlicher Ex-Mitglieder einer kürzlich verbotenen Berliner Hells-Angels-Dependance. Doch trotz der seit Monaten anhaltenden Verfolgung durch die Polizei baut die Bruderschaft derzeit neue Ableger auf.

In Berlin, wo sich zuletzt Hells-Angels-Gruppen aufgelöst hatten, um Verboten durch den Innensenator zuvorzukommen, wurden vier neue Charter gegründet. Diese bestätigte der Sprecher der deutschen Hells Angels, Rudolf „Django“ Triller am Mittwoch auf Nachfrage. Die Ortsgruppen sollen nach Himmelsrichtungen benannt werden, was unter Rockern international üblich ist. „Die Charter heißen East Town, South Town, West Town und North Town“, sagte Triller.

Nach der Verbotsoffensive durch den Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) in den vergangenen Monaten haben die Hells Angels kürzlich zudem ein Charter „East District“ gegründet, in dem vor allem Rocker aus dem Berliner Umland aktiv sind. Zusammen mit dem traditionsreichen Hells-Angels-Klub in Berlin-Charlottenburg verfügt die Bruderschaft nun über sechs Charter in der Hauptstadt.

Konkurrierende Bruderschaften spielen in der Szene kaum noch eine Rolle. Die international ebenfalls einflussreichen Bandidos haben in Berlin und Brandenburg massenhaft Mitglieder an die Hells Angels verloren. Dadurch kontrolliert die 1948 in den USA gegründete Bruderschaft inzwischen mehr Kneipen und Bordelle als alle anderen Rockergruppen der Region.

Kennern der Szene zufolge sollen sich den neuen Hells-Angels-Gruppen junge Anhänger angeschlossen haben. Nur wenige Ex-Mitglieder der von Verbotsverfügungen betroffenen Charter seien dabei. Dies dürfte auch rechtliche Gründe haben: Vereine, die mehrheitlich aus Ex-Mitgliedern verbotener Organisationen bestehen, können leicht als Nachfolgeorganisationen verboten werden.

Bildergalerie: Rockerkriminalität in Deutschland

Bei dem Einsatz am Mittwoch durchsuchten Polizisten elf Wohnungen in Brandenburg, Sachsen und Baden-Württemberg. Die Razzia steht im Zusammenhang mit dem im Mai aufgelösten Hells- Angels-Ableger „Berlin City“. Die Ermittler wollten in den Wohnungen der Ex-Mitglieder offenbar Beweise für die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbotes sammeln, denn die Rocker klagen vor dem Verwaltungsgericht gegen die Verfügung von Innensenator Henkel. Rocker, aber auch Juristen, hatten kritisiert, dass in Deutschland vergleichsweise schnell Vereine verboten würden, statt Einzelnen bestimmte Straftaten nachzuweisen.

Außerdem dürfte für die Polizei am Mittwoch von Interesse gewesen sein, ob und wie die Gruppenstrukturen fortbestehen. Rund 100 Beamte waren in Eberswalde, Cottbus und Britz sowie in Bautzen, Dresden, Chemnitz und Karlsruhe unterwegs. Neben Jacken, T-Shirts und Hemden mit den Insignien des verbotenen Klubs beschlagnahmten die Polizisten im Vereinsheim der Hells Angels in Chemnitz ein Faustmesser. Berliner Ermittler werden nun sichergestellte Computer, Datenträger und Akten nach Hinweisen auf interne und grenzüberschreitende Strukturen der Bruderschaft und den Verbleib von Vereinsvermögen und Immobilien durchforsten. Festgenommen wurde bei der Razzia niemand.

Die Region um Berlin gilt als Zentrum der Auseinandersetzungen unter Rockern. In diesem Juni wurde der Rockerboss André Sommer vor seiner Kneipe niedergeschossen. Nur wenige Wochen später fielen Schüsse auf zwei Bandidos vor deren Berliner Vereinsheim, als sich dort die Führungsriege der Bruderschaft traf.

Alarmiert sind die Behörden außerdem, weil die Bandidos einen Sprengstoffanschlag auf ein früheres Führungsmitglied, das zu den Hells Angels übergelaufen war, geplant haben sollen. Das Attentat konnte verhindert werden. Kürzlich stoppte die Polizei am Überseehafen in Rostock drei Rocker aus Schweden und Dänemark mit 700 Gramm Sprengstoff im Gepäck. Ermittlungserkenntnisse zeigten, dass ein Anschlag in Berlin geplant gewesen sei, bestätigte die Berliner Staatsanwaltschaft einen Tagesspiegel-Bericht.

Die Polizei setzt seit Monaten bundesweit auf Verfolgung, fast wöchentlich gibt es Razzien. Auch in Hannover, Schwerin und Potsdam haben sich in den vergangenen Wochen bekannte Rockergruppen aufgelöst.

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