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Royal Wedding: Ferien von der Wirklichkeit

Großbritannien bietet Projektionsflächen für jeden Geschmack und der Botschafter erinnert an die Verflechtungen mit Deutschland.

Rund zwei Milliarden Menschen auf der ganzen Welt werden am Freitag vor Bildschirmen sitzen und „Royal Wedding“ gucken. „Rule Britannia“ mag nicht mehr für die Weltmeere gelten, aber die Märchensehnsucht der Herzen bedienen die britischen Royals, wenn es Anlass gibt, immer noch gern mit glanzvollen Bildern. Auch Großbritanniens Botschafter Simon McDonald zeigt in diesen Tagen ein großes Herz für Hochzeiten.

Eigentlich ist der Diplomat, der im vergangenen Oktober direkt aus Downing Street No. 10 nach Berlin kam, ein exzellenter Experte für Außenpolitik. Aber in diesen Tagen sprechen ihn, wohin er auch kommt, alle auf das Thema Nr. 1 an, und er ist auch bestens darauf vorbereitet. „Ich will über Investitionen reden, über Ökonomie und Handel, und alle fragen mich nach der Hochzeit“, sagt er bestens gelaunt. Hat er eine Erklärung dafür, warum gerade die Deutschen sich so für das Thema interessieren? „Ich habe sogar drei Erklärungen“, sagt er. „Es gibt viele historische Verbindungen zwischen Deutschland und der Königsfamilie, die 1714 aus Hannover importiert wurde. Bis zu Königin Victoria haben seitdem unsere Monarchen alle Deutsche geheiratet.“ Obwohl Deutschland eine Republik sei, gebe es doch eine Vergangenheit als Monarchie. Möglich also, dass auch Nostalgie im Spiel sei. Sein dritter Grund ist aber der wichtigste: „Es ist eine durch und durch glückliche Geschichte. Sie bietet Ferien von der Wirklichkeit und schöne Bilder, bei denen man sich vom Alltag erholen kann.“

Es sei sowieso erst das dritte Mal seit über 100 Jahren, dass ein direkter Thronfolger heiratet“, sagt er. Queen Elizabeth II. heiratete als junge Prinzessin 1947, und an die Märchenhochzeit von Prinz Charles mit Lady Diana 1981 können sich viele heute noch erinnern. Auch wenn das Märchen schnell zu Ende war, kam mit William doch die Hauptfigur des heutigen Tages dabei heraus.

Während die Weltgemeinde vor dem Fernseher mitfiebert, bekunden 80 Prozent der Briten, dass sie das Ereignis gar nicht interessiert. Der Botschafter immerhin findet beruhigende Worte, und es ist nicht ganz auszumachen, ob sich hinter seiner engagierten Art zu sprechen vielleicht doch jene subtile Ironie versteckt, die auch britische Literatur auszeichnet. Jedenfalls kann er sich vorstellen, dass nicht alle eine ganz ehrliche Antwort auf die Frage geben und das Interesse in Wirklichkeit viel größer ist. Auch für neue Diskussionen über die Kosten der Hochzeit angesichts der Sparzwänge, unter denen die Briten leiden, sieht er keinen Anlass. „Unsere Königsfamilie kostet weniger als viele Präsidentschaften“, sagt er. Die eigentliche Zeremonie werde sowieso von der Königlichen Familie selbst und zu einem Teil auch von der Familie Middleton bezahlt. Steuergelder gingen zum Beispiel in die Sicherheit, in die TV-Übertragung und in die Gehälter der Angestellten. Insgesamt sieht er da aber „ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis“.

Weltweit wird die Hochzeit auch in den britischen Botschaften gefeiert. Simon McDonald hat 450 Gäste zum Empfang geladen und damit seine Kapazitätsgrenze voll ausgeschöpft. Das gemeinsame Hochzeitsgucken ersetzt in diesem Jahr auch den traditionellen „Queen’s Birthday Empfang“ im Juni. Ein Streichquartett wird dabei sein, ein Chor und natürlich ein Dudelsackpfeifer. Gezeigt wird in der Botschaft die Übertragung der BBC, schließlich ist man auf britischem Boden, und als Diplomat wollte der Botschafter keinem der vier deutschen Sender den Vorzug geben. Schon seit Wochen wird in der Residenz Hochzeitskuchen gebacken, ein traditioneller englischer Fruchtkuchen, der gut durchziehen muss und sich lange hält. Damit verbindet sich auch eine besondere britische Tradition. Die Spitze des Hochzeitskuchens wird vom Guss befreit und aufgehoben bis zur Taufe des ersten Kindes.

Ob er mit einem baldigen Besuch des Hochzeitspaares in Berlin rechnet? Auf jeden Fall hofft der Botschafter, dass es im Laufe seiner vierjährigen Amtszeit dazu kommt. Die Hochzeit sei ja auch nur der Auftakt einer Serie von Großereignissen. Im Februar 2012 etwa steht das Diamantene Thronjubiläum der Queen an. Nächstes Jahr ist sie sechzig Jahre Queen, das bedeutet, dass sich viele Menschen eine Welt ohne sie an der Spitze Großbritanniens gar nicht mehr vorstellen können. Auch der Botschafter war fasziniert, als er ihr vor seinem Einsatz in Berlin bei der traditionellen „Hand Kissing“-Zeremonie begegnete. „Ich bin 50 Jahre alt, und mein ganzes Leben lang war sie da.“ Aus dem Kopf weiß er, dass sie am Tag des Interviews, am 21. April, 85 Jahre alt wird.

Englische Großereignisse gibt es demnächst auch für strikte Republikaner, an der Spitze die Olympischen Spiele, die im kommenden Sommer in London stattfinden. „Vieles ist schon fertig“, sagt der Botschafter stolz. „Alles ist im Zeitplan, und die Budgets werden auch nicht überschritten.“ Er hat auch einen Tipp für besonders preiswerte Unterkünfte. In Canterbury werden an der University of Kent Studentenzimmer vermietet. Weil viel Wert auf gute Transportmöglichkeiten gelegt wurde, könne man von da ganz einfach pendeln. Wer deutlich mehr ausgeben will, wird zum Beispiel die Möglichkeit haben, sich auf einem großen Kreuzfahrtschiff einzumieten, das zu diesem Anlass im Hafen festmacht.

Die guten politischen Beziehungen können also auf unterschiedliche Weise gefeiert werden. Das gilt auch auf politischer Ebene. Vor dem Interview ging es in einem Gespräch um Energiepolitik. Während die Briten auch weiterhin eine Mischung aus sicherer, billiger und sauberer Energie anstreben, die auch Atomkraft einschließt, könne er die Haltung der Deutschen zu dem Thema auch verstehen, weil sie unmittelbar von der Katastrophe in Tschernobyl betroffen gewesen seien, sagt Simon McDonald. Und was Deutschlands Rolle im Zusammenhang mit Libyen betreffe, gebe es viele Missverständnisse. „Die Deutschen helfen indirekt. Das ist auch wichtig.“ Außerdem verstünden sich Kanzlerin und Premierminister auch persönlich sehr gut.

Es bräuchte also gar keine schönen Human-Touch-Bilder, um das bilaterale Verhältnis noch weiter zu erwärmen.

Befragt nach seiner eigenen Hochzeit offenbart der coole, kluge Botschafter endgültig, dass auch in ihm ein Romantiker steckt. Seine Frau Olivia hat er 1989 in St. Bride’s in der Fleet Street geheiratet. Der Turm der Kirche sieht aus, als sei er einer mehrstöckigen Hochzeitstorte nachgebildet worden. Das erste Kind kam 1990, danach alle zwei Jahre eins. Heute hat das Paar vier Kinder, zwei Jungs und zwei Mädchen. Und über den 29. Juli 1989 sagt der Botschafter rückblickend: „Das war der glücklichste Tag meines Lebens.“

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