zum Hauptinhalt
Sängerin Joy Fleming schmettert beim deutschen Vorentscheid für den Grand Prix d'Eurovision de la Chanson ihren Titel "Ein Lied kann eine Brücke sein".

© Heinz Wieseler/dpa

Sängerin Joy Fleming wird 70: Mama Soul aus Mannheim

Beim Grand Prix landete sie 1975 mit "Ein Lied kann eine Brücke sein" nur auf einem hinteren Platz. Aber dieser Song überdauerte die Zeiten. Am Samstag wird Joy Fleming, die Mama Soul von Mannheim mit der großartigen Stimme, 70 Jahre alt.

Wo sitzt das Gen, das den einen vor allem Rock und den anderen eher Klassik lieben lässt? Was formt den musikalischen Geschmack? Sozialisation, Hörgewohnheiten, Tradition oder selbst gewählter Traditionsbruch ab dem Teenageralter – sicher. Vielleicht aber auch ein einziges Lied, eine einzige Stimme. Die von Joy Fleming! 1975 schmettert sie in Stockholm beim Eurovision Song Contest, der damals noch Grand Prix hieß, den Song „Ein Lied kann eine Brücke sein“, eine großartige Nummer, geballte Schlagersoulpower. Im Wettbewerb landet sie auf einem der hinteren Plätze. Ganz egal. Dem Kind, das sie zufällig hört, öffnen sich durch dieses Lied die Ohren für etwas ihm unerhört Neues: die sogenannte schwarze Musik.

Das hat die am 15. November 1944 in Rockenhausen geborene Erna Liebenow, geschiedene Strube, geborene Raad, bewirkt. Die Mama Soul von Mannheim, die der GI-Stadt 1971 ihre Mundart-Hymne, den „Neckarbrückenblues“, verpasste. Die einzige Deutsche, die je vom legendären US-Soullabel Stax einen Vertrag bekam und dort 1973 die Single „Change It All“ herausbrachte.

Joy Flemings Volumenpflege

Die Sängerin, die von Ella Fitzgerald und Shirley Bassey bewundert wurde und wegen der Janis Joplin bei einem Konzert in Frankfurt am Main einen Wutanfall erlitt, weil ihr Fleming als Vorband die Show zu stehlen drohte, wie ESC-Experte Jan Feddersen erzählt. Er nennt Joy Fleming „die große Verkannte des deutschen Musikgeschäfts“. Eine Verkannte, die einmal 1986 (Platz vier) und in den 2000er Jahren noch zweimal bei der Vorentscheidung für den Eurovision Song Contest antrat (da belegte sie beide Male den verhexten zweiten Platz) und als Livekünstlerin oder Fernsehshow-Jurorin unverdrossen im Geschäft ist.

Sie hat den Blues. Den Grand Prix verloren und doch Legende: Joy Fleming.
Sie hat den Blues. Den Grand Prix verloren und doch Legende: Joy Fleming.

© dpa

Eine eigensinnige Dicke, die nie ins Eiapopeia-Idyll der Schlagerszene passte, stattdessen durch die ganze Welt tourte und 1981 mit dem Jazzpianisten Kristian Schulze prompt das wunderbare Jazzalbum „Vocals and Keyboards“ eingespielt hat. Zuletzt erschien 2010 „So bin ich“.

Ihre Weltklasse-Stimme hat Joy Fleming – das Kind armer Leute, die einstige Verkäuferin, die Mutter einer Tochter und dreier Söhne, die mit ihrem Partner, dem Musiker Bruno Masselon, auf einem Bauernhof mit eigenem Musikstudio in Sinsheim bei Mannheim lebt – durch alle Höhen und Tiefen ihrer erfüllt unerfüllten Karriere erhalten. Gewissermaßen nach dem Motto: Volumenpflege durch maximale Verausgabung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false