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Gefahr. Diese Männer gehören zu den etwa 3000 "mozos", die knapp vor den Stieren um Leben rennen.

© dpa

San Fermin: Die grausame Hatz von Pamplona

Sie rennen wieder – die Stiere von Pamplona und jene, die sich dafür halten. Aber die Kritik wächst.

Der Rathausplatz von Pamplona gleicht in diesen Tagen einem rot-weiß wogenden Meer. Die meisten Feiernden kommen in traditioneller Kleidung, die aus weißen T-Shirts, weißen Hosen und einem um den Hals geschlungenen roten Tuch besteht. Eine Rakete um 12 Uhr mittags hatte am Montag das Startsignal zum wildesten Fest Spaniens gegeben: Zehntausende Menschen bejubelten vor dem Rathaus den Schuss in den Himmel mit dem Schlachtruf: „Es lebe San Fermín.“ Der Hochruf gilt dem Stadtheiligen, zu dessen Ehren dieses achttägige Volksfest gefeiert wird. Höhepunkt sind die Stiertreiben, bei denen seit Dienstag wieder jeden Morgen sechs Kampfbullen in den Altstadtgassen losgelassen werden. Dutzende verletzte Menschen, mehrere wurden sogar von den Stieren aufgespießt, glücklicherweise bisher keine Toten: Die tägliche Auflistung der Opfer bei den Stiertreiben wird im spanischen Fernsehen fast mit ähnlichem Sportsgeist betrieben wie das Zählen der Tore bei einem Fußballspiel. Und je nachdem wie wenig oder wie viel Blut fließt, war es ein „sauberes“, ein „bewegendes“ oder auch ein „gefährliches“ Rennen.

Gleich die erste Stierhatz in der nordspanischen Stadt am Dienstagmorgen wurde von den TV-Kommentatoren als „gefährliches“ Rennen eingestuft: Denn drei Läufer, zwei Amerikaner und ein Engländer, wurden von Hörnern durchbohrt – sie überlebten aber. Acht weitere landeten mit Schädeltrauma oder Knochenbrüchen im Krankenhaus. Insgesamt 83 Menschen wurden verletzt, die meisten erlitten Prellungen und blaue Flecken, weil sie von den Stieren oder auch von der mitrennenden Menschenhorde niedergewalzt wurden. Im vergangenen Jahr waren fast 400 Menschen verletzt worden, das letzte Todesopfer gab es 2009, als ein Stier einem jungen Spanier mit einem Horn den Hals durchbohrte. Obwohl es für die Stiertreiben strenge Regeln gibt, kommt es immer wieder zu Horrorszenen – vor allem, weil viel zu viele Menschen mit den Stieren um die Wette rennen und durch Schubsen, Stolpern und Leichtsinn Unglücke provozieren.

Mehrere Tausend Menschen riskieren ihr Leben

Knapp 3000 „mozos“, wie die Läufer heißen, riskieren bei jedem der acht Rennen, in denen sie möglichst nah vor den Bullen rennen wollen, ihr Leben. In immer mehr spanischen Orten werden Stierkämpfe und Stiertreiben verboten. Zum Beispiel in den Touristenstädten Palma auf der Insel Mallorca und in Gandia an der Costa Blanca. In Katalonien und auf den Kanarischen Inseln dürfen schon länger keine Kämpfe mehr stattfinden. „Stiere zum Vergnügen zu quälen, gehört ins Mittelalter, aber nicht ins 21. Jahrhundert“, prangt auf Protestplakaten, mit denen sich Tierfreunde öfter vor Spaniens Kampfplätzen aufbauen. Demonstrationen gegen diese „Folterfeste“, wie sie von Tierschützern genannt werden, sind inzwischen an der Tagesordnung. Auch die jahrhundertealte Bullenhatz durch Pamplona wird von Protesten begleitet. Am Tag vor der Eröffnung hatten Tierschützer gegen die „Misshandlung und Ermordung“ der Stiere protestiert. „Wir sind nicht gegen das Fest, sondern gegen die Grausamkeit, die Folter und gegen den Tod von unschuldigen Tieren“, sagt Aída Gascón, Sprecherin der Tierschutz-Organisation Anima Naturalis.

Die Stiere werden über eine Strecke von 850 Metern bis zur Arena getrieben, wo sie abends von Toreros getötet werden. Nach wir vor ziehen die Stiertreiben in Pamplona hunderttausende Besucher an, darunter viele ausländische Touristen aus englischsprachigen Ländern. Der US-amerikanische Schriftsteller und Nobelpreisträger Ernest Hemingway verewigte dieses Stierfest in seinem 1926 veröffentlichten Roman „Fiesta“, und machte es dadurch im englischsprachigen Raum populär. Das Volksfest entstand aus der jahrhundertealten Tradition des Viehabtriebs, bei dem die Rinder von den Weiden durchs Dorf und in die Ställe gebracht wurden. In Pamplona mit seinen 200000 Einwohnern lässt das Fest die Kassen klingeln. Jeder Besucher gibt etwa 100 Euro am Tag aus. Viele Bewohner, deren Wohnungen an den Gassen liegen, durch die die Stiere rennen, vermieten Fenster- und Balkonplätze für bis zu 80 Euro.

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