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Übergewichtig, schwer atmend und hinfällig. König Abdullah von Saudi-Arabien. Das Bild zeigt ihn vor einem Jahr in seinem Al-Salam-Palast am Roten Meer, wo er Gäste empfing.

© AFP/HO/SPA

Saudi-Arabien: König Abdullah ist schwer krank - das ist politisch ein schlechter Zeitpunkt

Der saudische Herrscher Abdullah ist schwer krank – gleichzeitig brodelt es im Inneren des Landes. Die Nachfolge ist umstritten und Untertanen mucken auf. Und im Äußeren wartet der Iran auf eine Schwäche der nahöstlichen Supermacht.

Die Tage zwischen den Jahren hatte König Abdullah wie gewohnt auf seiner Farm in der Oase Rawdat Khuraim verbracht. Seit der saudischen Monarch jedoch an Silvester plötzlich mit akuter Atemnot per Hubschrauber ins 100 Kilometer entfernte King Abdulaziz Medical City Hospital in Riad geflogen werden musste, machen sich bei seinen Untertanen Angst und Unsicherheit breit. Der 90-jährige Monarch habe eine Lungenentzündung und sei an ein Beatmungsgerät angeschlossen worden, gab der Palast 48 Stunden später in einem dürren Kommuniqué bekannt. „Gott sei Dank war dieser Eingriff erfolgreich und führte zu einer Stabilisierung.“

Rückenleidend, übergewichtig, schnell ermüdend und nur noch per Rollator beweglich – um die Gesundheit von König Abdullah ist es schon länger schlecht bestellt. Die jetzige Lungenentzündung jedoch könnte für den fragilen Staatschef, der in früheren Jahren ein starker Raucher war, lebensbedrohend werden. Für das arabische Königreich mit den größten Rohölreserven der Welt kommt Abdullahs Atemkrise zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Denn im Inneren wie im Äußeren türmen sich die Probleme wie selten zuvor.

Die Nachfolgefrage wird immer heikler, vor allem weil kein Mechanismus existiert, die Königsmacht von den betagten, noch lebenden Söhnen des Staatsgründers Abdulaziz al-Saud in die dritte Generation seiner Enkel zu übertragen. Kronprinz Salman leidet offenbar unter den Folgen eines Schlaganfalls oder unter beginnender Demenz. Beobachter berichten, der 78-Jährige habe zwar einen dichten öffentlichen Terminkalender, doch nach der ersten Begrüßung würden seine Sätze rasch „inkohärent“. Der kürzlich installierte Vizekronprinz Muqrin wiederum, ein Halbbruder Abdullahs und mit 69 Jahren der jüngste noch lebende Spross von Abdulaziz al-Saud, ist unter den 34 thronberechtigten Familienstämmen umstritten. Aus Sicht einiger mächtiger Wüstenaristokraten hat er keinen Anspruch auf den Thron, weil er von einer jemenitischen Sklavin abstammt, die das königliche Familienoberhaupt seinerzeit als 15-Jährige schwängerte. Und so verweigerten nach Muqrins Ernennung sieben der 34 Repräsentanten im sogenannten Huldigungsrat ihre Zustimmung oder enthielten sich der Stimme – Indiz für wachsende Spannungen innerhalb des weit verzweigten Königsclans.

Aber auch in der Gesellschaft brodelt es. Im saudischen Cyberspace wächst der Unmut über die Schmarotzerklasse der rund 8000 Prinzen und der mit ihnen verbundenen Familien, einer superreichen Petrol-Nomenklatura von etwa 100.000 Personen. Der seit einem halben Jahr verfallende Ölpreis wird 2015 ein Rekordloch von fast 40 Milliarden Dollar in den Staatshaushalt reißen.

Die Schiiten im Osten des Landes, wo sämtliche Ölanlagen liegen, werden immer unruhiger. Nahezu jede Woche kommt es zu Schießereien zwischen Polizisten und Mitgliedern der Minderheit.

Auch gegen politische Dissidenten geht die autoritäre Führung immer rabiater vor. Die Anklagen landen jetzt auch bei den berüchtigten Sondergerichten gegen Terroristen – egal ob es Kritiker des Könighauses, Menschenrechtler oder Frauen sind, die lediglich ihr Recht auf Autofahren einfordern.

Im Äußeren sieht sich Saudi-Arabien durch das „Islamische Kalifat“ einer schwer kalkulierbaren Bedrohung gegenüber – zumal niemand weiß, wie viele Anhänger die Terrormiliz in der saudischen Bevölkerung wirklich hat. Ägypten liegt nach dem Sturz von Mohammed Mursi durch das Militär den reichen Ölherrschern am Golf milliardenschwer auf der Tasche.

Im Jemen hat Widersacher Iran mit der Machtübernahme der schiitischen Houthis erstmals seinen Fuß fest auf die Arabische Halbinsel gesetzt. Und demnächst könnte sogar der größte saudische Albtraum Realität werden – sollte Erzfeind Teheran nach drei Jahrzehnten Isolation durch einen Atomvertrag mit dem Westen international wieder salonfähig werden.

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