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Der Rhein bei Duisburg.

© IMAGO/Jochen Tack

Update

Schiff blockiert nun Mittelrhein-Abschnitt: Pegelstand am Rhein steht wieder im Aufwärtstrend bevor

Niedrigwasser und eine Havarie lassen Deutschlands wichtigste Wasserstraße absinken. Die Industrie stellt sich bereits auf das Schlimmste ein.

Neben Niedrigwasser hat ein liegengebliebenes Güterschiff den Verkehr auf dem Rhein behindert und zeitweise für eine Sperrung gesorgt. Das 190 Meter lange und fast 23 Meter breite Schiff blockierte seit der Nacht auf Mittwoch nach einem Maschinenschaden die Fahrrinne zwischen St. Goar und Oberwesel in Rheinland-Pfalz.

Das Schubschiff mit drei schwimmenden Transportbehältern, sogenannten Leichtern, war flussaufwärts unterwegs. Zunächst konnte kein Schiff mehr die Engstelle passieren, wie ein Sprecher der Wasserschutzpolizei mitteilte.

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Im Tagesverlauf wurde das Containerschiff weggeschleppt. Am Mittag war es auf dem Weg von der Unglücksstelle nach Bingen. Die Schifffahrt flussaufwärts wurde wieder freigegeben. Schiffe durften aber den „Abschleppdienst“ aus Sicherheitsgründen nicht überholen und mussten sich hinter dem mit 1660 Tonnen beladenen Schubverband einreihen.

Nachdem das havarierte Schiff sein Ziel erreicht hatte, konnte der Fluss nach Angaben der Wasserschutzpolizei gegen 18.15 Uhr in beiden Richtungen für die Schifffahrt freigegeben werden.

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Der Maschinenschaden des Güterschiffs habe nach ersten Erkenntnissen nichts mit dem Niedrigwasser zu tun, sagte der Sprecher der Wasserschutzpolizei. Näheres müssten Sachverständige klären.

Pegelstände dürften sich bald erholen

In Sachen Niedrigwasser ist für die kommenden Tage Entspannung in Sicht. Es soll dem Deutschen Wetterdienst zufolge regnen. Am Mittwochmittag lag der für die Rhein-Schifffahrt wichtige Pegelstand bei Kaub bei 34 Zentimetern und die Fahrrinnentiefe nach Angaben der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung bei 1,46 Metern. Bis Samstag könnte der Pegel einer Prognose zufolge bis auf 41 Zentimeter steigen.

Erst am Montag war in Emmerich mit drei Zentimetern das bisherige Rekordtief vom Oktober 2018 unterboten worden. Der Pegelstand ist nicht gleichbedeutend mit der für die Schifffahrt entscheidenden Fahrrinnentiefe. Diese lag in Emmerich zuletzt bei knapp unter zwei Metern. „Schiffe können weiter verkehren“, sagte Hellbach. „Sie müssen aber ihre Ladung entsprechend anpassen.“

Die Niedrigstände rücken das Thema Rheinvertiefung wieder in den Fokus. Bundesverkehrsminister Volker Wissing sagte im ARD-„Morgenmagazin“, es werde schon sehr lange darüber diskutiert.

Der Blick vom Drachenfels in Richtung Süden bei einem Rheinpegel von ca. 90cm.
Der Blick vom Drachenfels in Richtung Süden bei einem Rheinpegel von ca. 90cm.

© IMAGO/Panama Pictures

„Die Fahrrinne muss dort dringend vertieft werden, damit man auch bei niedrigem Wasserstand die Binnenschifffahrt am Laufen halten kann“, meinte der FDP-Politiker. „Das wurde lange diskutiert, aber nicht umgesetzt. Und das gehen wir jetzt an.“

Rhein-Vertiefung soll bis 2030 fertiggestellt werden

Wissing hatte sich bereits als rheinland-pfälzischer Verkehrsminister für die Vertiefung zwischen St. Goar und Mainz starkgemacht. Ziel ist es, die Fahrrinne von garantierten 1,90 Metern auf durchgängig 2,10 Meter in Bezug auf einen definierten Wasserstand zu vertiefen.

Es sei das Projekt aus dem Bundesverkehrswegeplan mit dem höchsten Kosten-Nutzen-Verhältnis, hatte Wissing vor kurzem gesagt. Die Fertigstellung werde bis Anfang der 30er Jahre dauern.

Nach Ansicht von Steffen Bauer, Chef des Binnenschifffahrtsunternehmens HGK Shipping, sind die derzeitigen Einschränkungen - verursacht durch mangelnde Niederschläge - auch eine Folge mangelnder Investitionen in die Wasserstraßen.

„Wir sehen auch im System Wasserstraße in den letzten Jahren, dass die Mittel, die wir eigentlich benötigen, nicht zur Verfügung gestellt wurden“, sagte Bauer dem Sender Phoenix. „Das hat sich in den letzten Jahren zugespitzt, und wir sehen aktuell über alle Verkehrsträger, dass wir deutlich eingeschränkt operieren.“

Produktionsdrosselungen in Chemie und Industrie befürchtet

Für die kommenden Wochen sei entscheidend, dass sich die Pegelstände erholten. Sonst drohten Produktionsdrosselungen, sagte der Unternehmer. Zwar gebe es die Voraussage, dass die Pegel nicht weiter fielen.

Grundsätzlich sei der September aber ein Niedrigwassermonat. „Das heißt, wenn diese Situation für zwei bis drei Wochen und mehr andauert, es im Süden keine signifikanten Niederschläge gibt, dann ist durchaus denkbar, dass es zu Produktionsdrosselungen und -einschränkungen kommt.“

Der Rhein bei bei Köln bei starkem Niedrigwasser. Die lange Dürre hat dafür gesorgt, dass das Deutzer Rheinufer und der Rheinpark weitgehend ausgetrocknet sind.
Der Rhein bei bei Köln bei starkem Niedrigwasser. Die lange Dürre hat dafür gesorgt, dass das Deutzer Rheinufer und der Rheinpark weitgehend ausgetrocknet sind.

© IMAGO/Panama Pictures

Das Niedrigwasser könne den Notstand bei der Energieversorgung weiter verschärfen. Die politischen Pläne, angesichts der Gaskrise vorübergehend stärker auf Kohle zu setzen, würden von massiven Transport-Engpässen durchkreuzt, so der BDI.

Der Rhein ist ein wichtiger Schifffahrtsweg für Rohstoffe wie Getreide, Chemikalien, Mineralien, Kohle und Ölprodukte wie Heizöl. Das seit Wochen anhaltende Niedrigwasser beeinträchtigt bereits die Leistung von zwei deutschen Kohlekraftwerken.

Sinkende Wasserstände bedeuten sinkendes Wachstum

Der Chemiekonzern BASF hatte erklärt, er könne Produktionskürzungen nicht ausschließen, wenn das Niedrigwasser die Logistik störe. Die Probleme am Rhein machen Ökonomen zufolge eine Rezession noch wahrscheinlicher.

„Wir erwarten ohnehin, dass die deutsche Wirtschaft ab dem dritten Quartal in eine leichte Rezession fällt und das Wachstum 2022 nur noch 1,2 Prozent betragen sollte“, sagte etwa der Deutschland-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Stefan Schneider.

„Falls die Wasserstände weiter sinken, könnte das Wachstum auch knapp unter ein Prozent sinken.“ Höhere Transportkosten dürften zusätzlichen Aufwärtsdruck bei den Erzeugerpreisen der betroffenen Güter verursachen. (dpa, Reuters)

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