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Pamir

© picture alliance/dpa

Schiffsunglück: Tödlicher Sturm

Vor fünfzig Jahren endete mit dem Untergang der „Pamir“ die Ära der Frachtschifffahrt mit Großseglern. Nur sechs der 86 Seeleute überlebten das Unglück.

Die Verbeugungen der hilflos treibenden „Pamir“ vor den Urgewalten des Meeres wurden immer tiefer. Das Segeltuch war im Hurrikan „Carrie“ längst davongeflogen. Zur Backbordseite hin tauchte das Segelschulschiff der deutschen Handelsschifffahrt am 21. September 1957 bereits gegen elf Uhr immer tiefer in den Atlantik ein. An Bord waren 86 Seeleute, darunter viele junge Kadetten. Der Wind jaulte, Überlebende der Überfahrt von Buenos Aires nach Hamburg sollten später von einem ungeheuren Lärm berichten. Es gab keine Panik. Um neun Uhr flog die Alarmglocke im Orkan davon. Nach dem SOS an alle um 11 Uhr 54 wird von der „Pamir“ drei Minuten später der letzte Ruf abgesetzt, der noch von einem anderen Schiff empfangen wurde: „Schnell – Schiff nimmt Wasser auf – Gefahr des Sinkens.“ Es wurden Schnaps und Zigaretten ausgegeben; sogar Fotos wurden noch gemacht. Die Rettungsboote konnten nicht mehr zu Wasser gelassen werden, die Neigung des Schiffes war bereits zu stark. Gegen 13 Uhr kenterte die „Pamir“, sie lag noch etwa eine halbe Stunde kieloben.

Mit dem Sinken der „Pamir“ endete vor fünfzig Jahren das Zeitalter der kommerziellen Frachtsegler. Nur sechs Seeleute überlebten das Unglück. Es war das erste große, tragische Unglück in der noch jungen Bundesrepublik. Und ein mediales Großereignis. Nach den ersten Funksprüchen über Probleme auf der „Pamir“ verfolgte die ganze Nation das Schicksal des Ausbildungsschiffes: Sie war das Thema im Herbst 1957. Zumal gerade der Bau eines Segelschulschiffes für die neue deutsche Marine geplant wurde: Die „Gorch Fock“, die am 23. August 1958 vom Stapel laufen sollte, wurde vor dem Hintergrund des Untergangs der „Pamir“ zu einem besonders sicherem Schiff gemacht, einem „Stehaufmännchen“: 372 Tonnen Ballast im Kiel sollten sicherstellen, dass der 1500-Tonner sich auch bei 60 Grad Krängung wieder aufrichten kann.

Unglücksursache noch immer ungeklärt

Die Ursache des Untergangs der „Pamir“ ist auch fünfzig Jahre später nicht bis ins letzte Detail geklärt: Ließ die Schiffsführung zu spät die Segel einholen, war das Verrutschen der geladenen Gerste schuld, dass die Viermastbark, die 1949 als letzter Windjammer ohne Hilfsmotor Kap Hoorn auf Frachtfahrt umrundet hatte, Schlagseite bekam, unstabil wurde? Warum waren die Tieftanks nicht geflutet worden? War sie leckgeschlagen?

Nach den Schiffbrüchigen suchten sieben Tage lang bis zu 78 Schiffe und elf Flugzeuge. Dreißig Seeleute konnten sich zunächst in zwei der losgerissenen Rettungsboote über Wasser halten. Sie hatten kaum Frischwasser, nur etwas Proviant, etwas Dosenmilch. Zwei Tage nach dem Unglück wurde ein Boot mit fünf Überlebenden gefunden, einen Tag später holte die US-Küstenwache einen weiteren Überlebenden aus dem zweiten Boot.

In den Booten spielten sich unglaubliche Szenen ab. Viele Schiffbrüchige, die meisten zwischen 16 und 18, tranken Salzwasser und verloren den Verstand. Der Überlebende Karl-Otto Dummer war Küchenjunge und gehörte zur Stammbesatzung. In seinem Buch „Pamir – die Geschichte des Untergangs“ (Delius Klasing Verlag, Edition Maritim 2007) beschreibt er, wie sich in der zweiten Nacht ein Schiffbrüchiger aufgibt, wie ein Schatten ins Meer gleitet: „Peter senkt wieder den Kopf und sieht uns abermals der Reihe nach an. Ohne eine Spur von Angst, aber wie einer, der sich von Freunden für eine lange Reise verabschiedet.“ Seine letzten Worte waren: „Dieses Mal werde ich es schaffen!“ Die Rettung dieses Bootes verdankten diese Schiffbrüchigem dem damals 24-jährigen Dummer, der als einziger der Überlebenden kein Kapitänspatent machen sollte: Er errichtete mit einer Bohle und einem Tuch einen Mast, der schließlich an Bord des Dampfers „Geiger“ gesehen wurde – 51 lange Stunden nach dem Untergang.

Katastrophe gut verarbeitet

Karl-Otto Dummer ist heute Mitte Siebzig und der einzige, der sich – schwerkrank – noch zur Katastrophe befragen lässt. Sind ihm die Szenen nach dem Untergang nicht wieder und wieder im Traum erschienen: „Nein, nie!“ sagt er kurz und bündig dem Tagesspiegel. Der Jahrestag der Rettung, „ist für mich ein ganz normaler Tag“.

Ist die Segelschifffahrt in einer Zeit, da über die Emissionen diskutiert wird, wieder eine Option? Dummer winkt müde ab: „Das können sich nur betuchte Leute leisten. Umweltfreundlich sind Segelschiffe ja. Aber die Schiffe von heute sind nicht mehr mit den Schiffen von damals zu vergleichen, wo noch achtzig Prozent der Arbeiten von Deck aus gemacht wurden.“

Tatsächlich feiert die Windenergie als Schiffsantrieb gerade so etwas wie eine Wiedergeburt. In diesem Jahr ist ein Containerschiff mit einem Lenkdrachen ausgerüstet worden, dessen Einsatz im besten Fall die Häfte des Schiffsdiesels einsparen kann. Im kommenden Jahr soll ein weiteres Frachtschiff, allerdings mit einer Rotorentechnik ausgestattet, in See stechen.

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