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Panorama: Schmidts Kunstpause

Der Entertainer taucht wieder auf: Er liest J. D. Salinger

Nein. „Unakzeptabel“, sagt Harald Schmidt, sei es, in das Buch eines anderen Autors ein Autogramm zu setzen. Eines Autors zudem, der mit seinem Titel die Welt veränderte, der sich dem Medienspektakel seit über einem halben Jahrhundert verweigert, der irgendwo in New Hampshire lebt und dort wohl Berge von unveröffentlichten literarischen Wunderwerken hortet, die bei einer posthumen Veröffentlichung allen Medien der Welt das Gefühl geben würden, es gebe sie doch noch auf der Erde und nicht auf dem Mars – die wirklichen Sensationen.

Die Rede ist von J. D. Salinger. Die Rede ist von seinem Buch „Der Fänger im Roggen“. Und die Rede ist von Schmidt, der seine Kreativpause unterbrochen hat. In einer kalten Kölner Nacht las der Ex-Narr der Deutschen aus der Geschichte des Holden Caulfield, der erwachsen wird, aber nicht erwachsen werden will. Die Rahmenbedingungen: rund 300 Menschen, Familien, Studenten, Anzugträger, Pullimänner, Blusenfrauen, Pärchen – alle hechelnd nach erlösenden Worten von Schmidt, der sie doch so allein gelassen hatte – mit der deutschen Wirklichkeit? Oder ging es doch um Salinger? „Der Schmidt ist ja ganz gut“, sagt eine Frau mit roten Haaren, „aber das Buch ist besser“. Besser ist es vor allem, weil Eike Schönfelds Neuübersetzung noch näher an den Jugend-Slang des Originals heranreicht und sie nun Heinrich Bölls Übersetzung, die über vier Jahrzehnte währte, abgelöst hat. Schmidt war deshalb auf Einladung von „Kiepenheuer & Witsch“ und Thomas Böhm, Programmleiter des Literaturhauses, gekommen. Von dem Buch ist Schmidt in seiner Schulzeit beeindruckt gewesen – gerade von dem Helden, „an den Rest konnte ich mich sowieso nicht erinnern“, sagt er schnoddrig.

Sicher wäre es hybrid, Vergleiche zwischen dem kauzigen Salinger und Schmidt oder zwischen dem verzweifelten Verweigerer Caulfield und dem Zyniker Schmidt anzustellen. Aber: Caulfield, Salinger und Schmidt verstanden sich so gut, dass der obige Vergleich ein gutes Thema für eine Promotion oder ein Hörbuch wäre. Wer sprach da, wer las da? Wer fing wen im Roggen? „Ich treffe heute nur auf geistreiche Ärsche“, schreibt Salinger. Und jeder wusste: Das hätte auch ein Schmidt-Gag sein können. Der Synergie-Effekt war perfekt. Das Publikum lacht und schmunzelt – auch als Böhm mit Schmidt über Literatur sprechen wollte – ernsthaft. „Was ist für Sie ein schlechtes Buch?“ „Bücher, die in der Ukraine spielen. Ein Buch, in dem der Held in eine Stadt fährt, die ich nicht mag.“ „Was lesen Sie?“ „All das, was Elke Heidenreich nicht empfiehlt.“ Böhm hätte wissen müssen, dass Schmidt auf einer Bühne den Schmidt macht – zur Freude des Publikums, das sieht, was Kreativpausen so alles vermögen: Die Pointensicherheit ist wieder da, losgelöst von Sat1, verbunden mit Salinger. Schmidt signiert dann natürlich an diesem Abend kein Buch, auch seine eigenen nicht. „Ich lese jetzt noch was“, sagt er, „und dann gehen wir als Freunde auseinander. Ok?“

Ingo Petz[Köln]

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