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Panorama: Schwänzer-Kontrolle: Wer hat Angst vorm grünen Mann?

Am ersten Schultag, den nun auch viele Knirpse in Bayern seit einigen Tagen hinter sich haben, da sieht alles noch rosig aus. Jahre später stellt sich das bei manchen schon anders dar.

Am ersten Schultag, den nun auch viele Knirpse in Bayern seit einigen Tagen hinter sich haben, da sieht alles noch rosig aus. Jahre später stellt sich das bei manchen schon anders dar. Frust und Perspektivlosigkeit verleiten zum Schulschwänzen. In Bayern wird sich jetzt die Polizei um das Problem kümmern. Zwei Jahre lang wurden in Nürnberg bei einem Pilotprojekt Polizeistreifen dazu angehalten, potenzielle Schulschwänzer zu kontrollieren. Mit großem Erfolg: Während in anderen Städten die Schulschwänzerquote bei rund 15 Prozent liegt, beträgt diese in Nürnberg lediglich 1,16 Prozent. Mit Beginn des neuen Schuljahres hat das bayerische Innenministerium nun alle Polizeipräsidien des Freistaats aufgefordert, das Nürnberger Modell zu übernehmen.

"Es geht um notorische Schulschwänzer, und nicht um den, der mal eine Stunde ausfallen lässt", sagt Michael Ziegler vom bayerischen Innenministerium. "Es werden auch keine Polizeistreifen losgeschickt, die ausschließlich nach Schwänzern suchen." Vielmehr seien normale Streifenbeamte dazu angehalten, "in schulrelevanten Zeiten" auf Jugendliche zu achten, die an "neuralgischen Punkten, wie den Kaufhäusern in der Innenstadt oder in Parks herumlungern". Die werden überprüft, und mittels Anruf in der Schule wird festgestellt, ob der Jugendliche schulfrei hat oder schwänzt. Notorische Schulschwänzer, meist 14 bis 17 Jahre alte Schüler aus sozial schwachen Gegenden, seien deshalb den Beamten schnell bekannt. "Wenn sie dann mehrmals von der Polizei in die Schule gebracht werden, hat das einen erzieherischen Effekt auch für die Eltern und sogar für die Lehrer", sagt Ziegler. Denn manche Pädagogen sind offenbar froh, wenn Störenfriede im Unterricht fehlen.

Für eine "seriöse Beurteilung" nach der bayernweiten Einführung des Konzeptes sei es laut Ziegler zwar noch zu früh, man geht aber davon aus, dass die Erfahrungen aus Nürnberg auch in anderen bayerischen Städten ähnlich sein werden. In Nürnberg gab es nach dem ersten Jahr des Pilotprojektes noch 122 notorische Schulschwänzer, ein Jahr später waren es nur noch 70. "Ein Rückgang um 40 Prozent", wie Ziegler stolz vermeldet. Und weil "alle mitziehen, Schul- und Jugendamt", sei es ein so großer Erfolg geworden. Das Konzept beruht auf zwei Säulen. Neben den Schwänzern, auf die die Polizisten zufällig in der Stadt stoßen, melden die Schulen, wenn ein bestimmter Schüler dauerhaft dem Unterricht fernbleibt. Nach diesem wird dann gezielt gesucht. "Es geht auch um Berührungspunkte zur Kriminalität. Wer tagelang nicht zur Schule geht, beginnt oft aus Langeweile zu klauen oder gerät an Drogendealer." Und parallel zur Zahl der Schulschwänzer sei in Nürnberg auch die der Ladendiebstähle "um einige Prozent zurückgegangen", sagt Ziegler.

"Für uns ist der Name des Schulschwänzerprogramms neu, nicht aber der Inhalt", sagt Wolfgang Wenger von der Münchner Polizei. Hier gibt es bereits seit 30 Jahren spezielle Jugendbeamte, derzeit sind es 50. In der bayerischen Hauptstadt funktioniere deshalb auch die Prävention, "da die Beamten viel in Kindergärten und Schulen gehen, und in direktem Kontakt mit der Schulleitung stehen". Und Polizeistreifen hätten ohnehin ein Auge auf Jugendliche, die sich vormittags in der Stadt aufhielten. Das neue bayernweite Programm ändere in München in der Praxis somit nicht viel.

Auch Josef Kraus, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, ist von den Ergebnissen aus Nürnberg angetan. Er fordert ein bundesweite Einführung des bayerischen Projektes. "Es handelt sich ja nicht um eine gewaltige Polizeiaktion", meint Kraus, der besonders darauf hinweist, dass lediglich Beamte, die ohnehin in der Stadt unterwegs seien, speziell auf Kinder und Jugendliche achten sollten. Eine Maßnahme, die letztlich auch im Interesse der Schüler sei, weil sie vor Verbrechen geschützt würden.

Die Bayern konnten ihre Kollegen in den übrigen Bundesländer allerdings noch nicht so recht von ihrem Projekt überzeugen. Michael Ziegler weiß derzeit nur von konkreten Überlegungen in Hessen, Niedersachsen und im Saarland.

Detlef Dresslein

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