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Panorama: Schwarzbauten sorgen für heftige Kritik an der Bauaufsicht

Die Opfer des Erdbebens sind auch eine Folge der Landflucht und der vielen Schwarzbauten in den türkischen Städten. Millionen von Menschen sind in den vergangenen Jahrzehnten in die Hauptstadt Ankara, nach Istanbul, aber auch nach Izmir und Bursa gezogen.

Die Opfer des Erdbebens sind auch eine Folge der Landflucht und der vielen Schwarzbauten in den türkischen Städten. Millionen von Menschen sind in den vergangenen Jahrzehnten in die Hauptstadt Ankara, nach Istanbul, aber auch nach Izmir und Bursa gezogen.

In den Vierteln der Zuwanderer sind die meisten Gebäude ohne Baugenehmigung erbaut worden. Nach türkischem Gewohnheitsrecht werden diese "Gecekondu"-Gebiete ("über Nacht gebaut") in der Regel nicht abgerissen. Schätzungen zufolge gibt es in Istanbul rund 600 000 solcher "Gecekondu". Dazu kommen noch 700 000 weitere Schwarzbauten, meistens mehrstöckige Wohnhäuser.

Nach dem Erdbeben trifft jetzt Bauaufsichten wie auch die Bauunternehmer die volle Wucht der öffentlichen Wut. Sie werden für den Einsturz tausender illegal und schlampig gebauter Häuser verantwortlich gemacht. Als "Händler mit dem Tod" stellte "Milliyet" am Donnerstag auf der Seite Eins einen Bauunternehmer aus Yalova vor, dessen Häuser fast alle eingestürzt sein sollen. Das Foto des Mannes klatschte das Blatt gleich mit auf die erste Seite - völlig überflüssigerweise, denn eine aufgebrachte Menge in Yalova hatte ihn schon am Vortag gefunden und sein Auto in Brand gesteckt. "Was sind das für Behörden, die den Einzug in solche Wohnungen erlauben?", fragte sich "Hürriyet" schon am ersten Tag nach dem Beben.

Der Volkszorn ist verständlich, man sollte aber die Vorgeschichte nicht vergessen: Die Schwarzbauten sind genau deshalb illegal, weil die Behörden den Einzug eben nicht genehmigt hatten. Solange nichts schief geht, betrachten die meisten Türken es als Gewohnheitsrecht, Häuser ohne behördliche Bauaufsicht zu errichten und haben nichts gegen Kostenersparnisse bei der Bauweise.

Als vor einigen Wochen ein illegal errichtetes Privatkrankenhaus im asiatischen Teil von Istanbul abgerissen werden sollte, liefen Ärzte, Patienten und Lokalpresse Sturm gegen diese "Behördenwillkür". Innenminister Sedattin Tantan, gerade ein Vierteljahr im Amt, hatte gerade vor zwei Wochen eine radikale Kampagne gegen die Schwarzbauten gestartet - und sich damit nur blanken Hohn von der jetzt so kritischen Öffentlichkeit eingehandelt.

In das mehr als zehn Millionen Einwohner zählende Istanbul sollen jedes Jahr über 400 000 Zuwanderer kommen. Aber als der Bürgermeister von Istanbul letztes Jahr einen Zuzugsstopp erlassen wollte, um die Infrastruktur der aus allen Nähten platzenden Großstadt nicht zuletzt im Hinblick auf die Erdbebengefahr in den Griff bekommen zu können, ging sein Vorstoß in einem Sturm der Entrüstung unter.

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