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Panorama: Schwarze Musik aus weißen Kehlen

Amy Winehouse und Joss Stone beerben den Soul – auf ihre je eigene Weise

Die eine präsentiert sich mit pink gefärbten Haaren und bunt bemalter, nackter Haut. Die andere hat Tattoos auf den Oberarmen und eine schwarze Löwenmähne. Schwarz sind bei allen beiden die Stimmen, aber ihre Haut ist weiß: Joss Stone und Amy Winehouse haben viel gemeinsam. Beide Stars kommen aus Großbritannien, sind jung und singen eine Musik, die eigentlich ganz woanders herkommt: den Soul, den afroamerikanische Musiker in den Sechzigerjahren groß gemacht haben. Doch die Alben, die fast gleichzeitig in Deutschland erscheinen, lassen sich nicht über einen Kamm scheren.

Joss Stone kommt bescheiden daher. Schon der Titel der neuen CD „Introducing Joss Stone“ ist pures Understatement. Nach zwei Alben und mehr als sieben Millionen verkauften Exemplaren braucht diese Sängerin sich nicht mehr selbst vorzustellen. Seit sie 2003 auf der Platte „The Soul Sessions“ mit Cover-Versionen alter Soul-Nummern debütierte, wurde die damals 16-Jährige als Sensation gefeiert: schwarze Stimme, goldene Locken. Ihre Bilderbuchkarriere begann schon als Teenager-Star bei der BBC. Von dem Image des blonden Engels mit der Aretha-Franklin-Stimme, das ihre Platte mit eigenen Stücken „Body, Soul & Mind“ zementierte, will sich das Girl-Wunder aus Devon nun offenbar trennen.

Die Haare sind nun plötzlich pink, und seit Joss Stone nach Los Angeles übersiedelte, hat sie sich nicht nur einen amerikanischen Akzent zugelegt, worüber man in ihrer britischen Heimat „not amused“ ist. Die Kompositionen, allen voran die Hit-Single „Tell Me ’Bout It“ sind vom klassischen Soul weit entfernt. Stattdessen kopieren sie den gegenwärtigen amerikanischen R&B, wie er an der Westküste durch Shopping-Malls dudelt. Fast sieht es aus, als wolle das kleine weiße Mädchen aus dem alten Europa nun auch den schwarzen Musikmarkt erobern, auf dem R&B längst die Kassen klingeln lässt.

Ganz anders dagegen Amy Winehouse. „Back to Black“ heißt ihre neue CD, auf der sie mit waidwundem Hundeblick und dürren Ärmchen auf einem kargen Hocker posiert. Geradeso, als hätte man sie schon dahingesteckt, wo sie zumindest nach Meinung ihres ehemaligen Managements hingehörte: in die Rehabilitation.

Vom Manager hat sie sich inzwischen getrennt, und gleich das Titelstück erteilt allen Besserungsvorschlägen eine klare Absage: „They tried to make me go to Rehab – I say: no, no, no“, echot es dort im Gospel-Stil: Nein, nein, ich mache keinen Entzug. Die Alkohol-Eskapaden der 23-Jährigen sind berüchtigt.

Auf der Videoplattform Youtube erlangte ein Clip zweifelhaften Weltruhm, auf dem sie eine Interpretation des Michael-Jackson-Hits „Beat It“ im Suff verpatzt.

Dies alles ist ihr seit ihrem neuen Album vergeben. Unter dem Einfluss ihres Produzenten Mark Ronson hat sich Amy Winehouse ins Archiv begeben und bis zu den verborgenen Schätzen der großen Zeit des echten R&B, des Rythm&Blues der frühen Sechziger, vorgearbeitet. In Stücken wie „You Know I’m No Good“glaubt man eine reife Soul-Mama vom Schlage einer Barbara Lynn, Etta James oder Big Maybelle zu hören. Dazu Texte, die keine Zweideutigkeit auslassen und auch eindeutige Wörter wie „fuckery“ und „dick“ in den Mund nehmen. Die Bläsersätze stanzen harte Breaks aus dem Groove heraus, nur ganz behutsam modernisieren dezente Dub- und Big-Beat-Samples die sonst ganz klassische Musik.

Doo-Wop trifft da auf Ostküsten-Jazz nach Art der großen Diven Della Reese oder Sarah Vaughn, Westküsten-Soul im Stile eines Phil Spector mischt sich mit flirrendem Detroit und Südstaaten-R&B, kurz: Hier wird nicht nur die Glorie der schwarzen Musik durchdekliniert, hier macht jemand einfach alles richtig. Denn Amy Winehouse legt frei, was Joss Stone mit hochgezüchteten Tuning-Effekten zukleistert. Anstelle eines aufgehübschten Disco-Sounds macht sie aus dem Soul wieder das, was er einst war: eine himmelhoch jauchzend zu Tode betrübte Musik.

Amy Winehouse: Back To Black (Island/Universal)

Joss Stone: Introducing Joss Stone (Virgin/EMI)

Amy Winehouse tritt am 8. April um 21 Uhr im Tempodrom auf.

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