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Panorama: Schweigen sagt mehr als Worte

König Juan Carlos, Spaniens Oberbefehlshaber, ist gegen den Kriegskurs seiner Regierung

Es gibt viele Formen, um gegen den Irakkrieg zu protestieren: Flammende Reden, lautstarke Demonstrationen oder einfach beredtes Schweigen. Spaniens König Juan Carlos I., jener Mann der durch seine politische Rolle bei der Demokratisierung Spaniens weltweit Respekt erwarb, wählt letzteren Weg: Der konservative Regierungschef Jose Maria Aznar sowie seine beiden Freunde George Bush und Tony Blair erklären dem Irak gegen die Mehrheit der UN und des spanischen Volkes den Krieg.

Der König („Ich bin der Diener des Volkes") hält, schweren Herzens, den Mund. Kein kritisches Wort, aber auch kein positives für Aznar. Ein königliches Schweigen, das mehr sagt als Worte. „Der König spielt jene Rolle, welche ihn der Regierungschef spielen läßt", grummelt es am Königshof. So seien nun mal die Spielregeln der parlamentarischen Monarchie. Aznar schränke die politische Mitwirkung des angesehenen Staatschefs und formellen Oberbefehlshabers der Truppen auf ein Minimum ein. Das Verhältnis zwischen Juan Carlos und Aznar sei zerrüttet. Und das nicht erst seit Aznars großmannsüchtigem Kriegstrommeln, gegen das nicht einmal der König Handhabe hat. Denn laut Verfassung bestimme die Regierung die Außenpolitik und das königliche Staatsoberhaupt dürfe diese Linie öffentlich nur abnicken – oder, im Zweifelsfall, eben lieber nichts sagen. „Der König ist nicht nur dazu da, seinen Kopf für die Briefmarken herzugeben", sagen Kritiker dieser Wortkargheit. Doch wer das Königshaus genau beobachtet, ahnt, dass hinter den Palastmauern die Sorge und der Zorn brodeln. Und dies macht sich eher unterschwellig bemerkbar: Juan Carlos vermeidet derzeit, gemeinsam mit Aznar aufs Foto zu kommen. Auch symbolische Besuche bei der Truppe, die auf Geheiß Aznars mit rund 1000 Soldaten logistische und humanitäre Aufgaben im Irak erfüllen soll, gibt es nicht. Keine Rede zum Abschied der Soldaten, wenn sie gen Irak ziehen. Öffentliche Auftritte werden abgesagt. Der König weiß, was in diesen Tagen auf dem Spiel steht: Spanien macht gerade eine der schwersten nationalen Krisen seiner Demokratie durch. Oppositionsgruppen basteln an Klagen gegen Aznars Kriegskurs vor dem Verfassungsgericht und dem Internationalen Strafgerichtshof. Die Popularität der Konservativen sinkt täglich. Und der König schweigt. Und wartet. Vielleicht darauf, dass seine Prophezeiung in Erfüllung geht: „Wenn das Volk gegen dich ist, kannst du einpacken." Jüngste Meinungsumfragen sehen Aznars konservative Volkspartei mit 37 Prozent in der Opposition und die sozialdemokratische Opposition mit 43 Prozent an der Macht.

Ralph Schulze[Madrid]

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