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Panorama: Sie geh’n Gatten suchen im Park

In Peking gibt es eine öffentliche Heiratsbörse – ältere Leute halten Ausschau nach Partnern für ihre Kinder

Jeden Sonntagnachmittag spaziert Herr Li durch den Park, um eine Ehefrau zu suchen. Nicht für sich selbst. Der 62-Jährige mit der Basketballkappe, der zwischen Zypressen und Holzbänken schlendert und dabei Fotos und Lebensläufe verteilt, will seinen erwachsenen Sohn verheiraten. „Er ist schon 34 Jahre alt und zu sensibel, um seine Gefühle zu zeigen“, erklärt er Li. Deshalb müsse er als Vater dem Sohn bei der Partnersuche unterstützen.

Hunderte Väter und Mütter, viele sind Rentner, treffen sich jedes Wochenende im Zhongshan-Park in Peking, um für ihre erwachsenen Kinder Ehen anzubahnen. Manche haben selbst gemalte Plakate um den Hals gehängt, auf denen sie die Vorzüge ihres Nachwuchses anpreisen. „Tochter, Jahrgang 1976, 172 Meter groß, arbeitet in ausländischer Firma!“ Andere tragen Fotos und gedruckte Beschreibungen bei sich, die sie mit gleichgesinnten Eltern austauschen.

Der inoffizielle Heiratsmarkt existiert seit einem halben Jahr. „Unsere Kinder sind so beschäftigt mit ihrer Arbeit und Ausbildung, dass sie kaum Zeit haben, Freunde zu finden“, sagt Frau Liu. „Informationsbörse für Hochzeiten von Büroangestellten“ nennt sich die Gruppe von besorgten Eltern, die sich gegen das Single-Dasein ihrer Sprösslinge wehren. Die meisten haben Töchter, für die sie einen Mann suchen. „Auf der Universität waren mehrere junge Männer an meiner Tochter interessiert“, erzählt die pensionierte Lehrerin Wang. „Damals habe ich ihr gesagt, dass sie sich auf das Studium konzentrieren soll. Das bedauere ich heute.“ Frau Wang ist zuversichtlich, dass sie im Park einen passenden Ehemann für ihre Tochter finden kann. „Sie schaut nicht schlecht aus. Der einzige Nachteil ist, dass sie wie ich etwas klein ist. Das mögen die gut gebauten Männer nicht.“

Im alten China war es üblich, Ehen durch professionelle oder private Heiratsvermittler anzubahnen. Nach der Machtübernahme der Kommunisten übernahmen die „Danwei“ („Arbeitseinheiten“) die Aufgabe, Männer und Frauen zusammenzubringen. Heute suchen sich Chinesen ihre Partner selbst. Üblich ist auch, dass Verwandte oder Freunde bei der Eheanbahnung behilflich sind. Spätestens mit 30 muss eine Frau in China verheiratet sein, wenn sie nicht schief angesehen werden will. Bei Männern liegt die Grenze bei 35.

Die Heiratsbörse ist offenbar erfolgreich. Rund 100 feste Beziehungen seien bisher aus den Vermittlungen hervorgegangen, schätzt Frau Liu. „Ein Paar hat im März auch bereits geheiratet.“ Viele der erwachsenen Kinder wissen jedoch nichts von den Parkaktivitäten ihrer Eltern. „Ich traue mich nicht, ihm davon zu erzählen“, sagt Herr Li. Sein Sohn, der als Zugführer zwischen Peking und Schanghai arbeitet, lehnt Einmischung in sein Liebesleben ab. „Wenn ich ein passendes Mädchen finde, sage ich ihm, dass ein Freund oder ein Verwandter sie ihm vorstellen möchte“, erklärt Li. Vier Frauen habe er auf diesem Weg seinem Sohn bisher vermittelt – bislang allerdings erfolglos, wie Herr Li eingesteht: „Er trifft diese Frauen nur ein Mal kurz und sagt dann auf Wiedersehen.“

Harald Maass[Peking]

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