zum Hauptinhalt
Leibovitz

© ddp

Starfotografin: Annie Leibovitz braucht Geld

Ihre Ausstellung in Berlin ist ein Publikumsmagnet – in New York hat sie jetzt ihr Lebenswerk verpfändet.

Sie hat die schwangere Demi Moore abgelichtet und Whoopi Goldberg in eine Badewanne mit Milch gesteckt. Ihre große Werkschau „A Photographer’s Life 1990 – 2005“ in Berlin ist ein großer Publikumsmagnet. Doch auch der amerikanischen Starfotografin Annie Leibovitz geht es nicht anders als dem Rest der Welt – sie steckt in Geldnöten. Nun ist Annie Leibovitz kaum jemand, den man in einem Leihhaus anzutreffen glaubt. Zumindestens nicht in einem ordinären Leihhaus. Doch das ist die Art Capital Group (ACG) auch nicht. Die New Yorker Firma hat sich darauf spezialisiert, Kunstwerke zu beleihen. Picassos, Rauschenbergs, Warhols, was immer die reiche Klientel so an den Wänden hängen hat.

Als Kunden akzeptiert sie auch gern die Künstler selbst – wie die Starfotografin Annie Leibovitz. Sie hat nach Angaben der „New York Times“ in den vergangenen Monaten 15,5 Millionen Dollar von Art Capital erhalten – und dafür ihr gesamtes Lebenswerk verpfändet. Wie die Zeitung in öffentlich zugänglichen Dokumenten ausgrub, verwendete Leibovitz nicht nur drei Immobilien im Greenwich Village und ihr Landhaus in Rhinebeck im Bundesstaat New York als Sicherheit, sondern auch die Rechte an sämtlichen Negativen – auch zukünftigen.

Es ist ein außergewöhnlicher Schritt für eine der bekanntesten und bestbezahlten Fotografinnen der Welt. Leibovitz hat in den vergangenen drei Jahrzehnten die Schönen, die Reichen und die Mächtigen abgelichtet, wie auch ihre vom Krebs gezeichnete Lebensgefährtin, die Schriftstellerin Susan Sontag, auf dem Todesbett. Doch es herrschen ungewöhnliche Zeiten. Angeblich sollen die Ausgaben in ihrem Fotostudio in Chelsea, das sie inzwischen aufgegeben hat, hohe Schulden verursacht haben. Hinzu kamen Grundstückssteuern sowie die Zahlungen von 700 000 Dollar an eine Beleuchtungsfirma und einen Stylisten, die sie verklagt hatten.

Hohe Kosten verursacht auch der Umbau dreier Reihenhäuser in New York, die Leibovitz zu einem Wohnhaus umfunktionierte. Seit dem Tod ihrer Partnerin muss die Starfotografin auch allein für ihre drei Kinder im Alter von sieben und zwei Jahren sorgen. Und New York ist kein billiger Wohnort zum Leben.

Das Businessmodell von Art Capital ist auf Menschen wie sie zugeschneidert, sagt Miteigentümer Ian Peck. Nicht nur sei es diskret. An wen sonst können sich Kunstsammler wenden, die bereits ihre Immobilien beliehen haben und zusätzliches Geld benötigen? Wie Veronica Hearst, die Witwe von Verleger Randolph Hearst.

Hearst belieh zwei Rubens-Bilder, um ihr Anwesen in Manalapan, Florida, vor der Zwangsversteigerung zu retten. Sie verlor nicht nur die Villa im venezianischen Stil mit 52 Zimmern, die flämischen Meister hängen nun bei ACG an der Wand, im ehemaligen Gebäude des Auktionshauses Sotheby’s an der Madison Avenue. Neben Werken von Willem de Kooning, Mark Rothko und Henry Moore.

Die Geschäfte dort gehen gut in schlechten Zeiten. ACG schätzt, dass die Summe der vergebenen Kredite von 80 Millionen Dollar im vergangenen auf 120 Millionen in diesem Jahr steigen wird. Bei der Konkurrenz Art Finance Partners, ebenfalls in Manhattan, erwartet man ähnliche Umsätze. Ein Grund ist die Malaise an der Wall Street. Viele Investmentbanker und Hedgefonds-Manager finden sich mit dem Kollaps ihrer Firmen auf der Straße oder zumindest um einiges ärmer. Ein anderer Grund sind die sinkenden Immobilienpreise in den USA. Damit sind ihre Kredite nicht mehr ausreichend gesichert, sie müssen Bargeld auftreiben, um die Banken zu beruhigen. Da sich ihre Aktien im freien Fall befinden, sind Bilder, Plastiken und die wertvolle Teddybär-Sammlung der einzige beleihbare Vermögenswert.

Diese Situation kann eine Firma wie ACG mit Zinsen von bis zu 16 Prozent ausnutzen. Zehn Prozent der Kunden verlieren ihre verpfändeten Objekte, was kein schlechtes Geschäft für ACG und Co. ist. Beleiht sie doch meist nur 40 Prozent des geschätzten Wertes.

Andererseits ist auch der Kunstmarkt unsicher, daran ändert auch die Rekordauktion des Nachlasses von Yves Saint Laurent nichts. Statt gezwungenermaßen ihre Sammlung unter Preis zu verkaufen, hoffen die Besitzer, die Schätze wieder auslösen zu können, wenn sich ihre finanzielle Lage gebessert hat.

Wie Julian Schnabel, Maler und Filmdirektor. Er wandte sich 2006 an Art Capital, als er acht Millionen Dollar für sein ausschweifendes Wohnprojekt „Palazzo Chupi“ in New York benötigte. Schnabel allerdings belieh nur seine Immobilien, nicht seine Kunstsammlung. Und zahlte den Kredit auch prompt zurück. Mit ACGs Diensten war Schnabel dennoch nicht zufrieden. Er verklagte ACG, als diese außergewöhnlich hohe Gebühren verlangte.

Was Annie Leibovitz betrifft, so sei man sehr erfreut, sie als Kundin zu haben, betont Peck. „Wir sind einer der wenigen Kreditgeber – wenn nicht gar der einzige – der ihr Lebenswerk monetär zu schätzen weiß. Ist es doch ein sehr esoterisches Lebenswerk.“ Eine kühne These. Denn wer kann schon wie Annie Leibovitz von sich behaupten, die Queen, den nackten John Lennon und zuletzt Michelle Obama fotografiert zu haben.

Zur Startseite