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Panorama: Sternchen für den Lebensweg

Die Jugend will Stars, nicht Idole. Zwischen beiden gibt es einen feinen UnterschiedCaroline Bock Die Zeit der großen Idole geht zu Ende, Stars und Sternchen zum Anhimmeln gehören dagegen nach wie vor zur Jugendzeit wie Schule und Liebeskummer.

Die Jugend will Stars, nicht Idole. Zwischen beiden gibt es einen feinen UnterschiedCaroline Bock

Die Zeit der großen Idole geht zu Ende, Stars und Sternchen zum Anhimmeln gehören dagegen nach wie vor zur Jugendzeit wie Schule und Liebeskummer. Während Lebens-Vorbilder wie früher Mutter Teresa oder Albert Schweitzer immer weniger gefragt sind, werden Poster von Boygroups und Girliebands, Filmstars und -sternchen auch weiter die Wände der Kinder- und Jugendzimmer zieren, prophezeien Experten.

Schon vor Jahren machte die Shell Jugendstudie einen "rückläufigen Trend" bei Vorbildern aus. Während in den konservativen fünfziger Jahren noch 44 Prozent aller Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 24 angab, ein Vorbild zu haben, waren es 1984 nur noch 19 Prozent. Bis Mitte der Neunziger ging der Anteil weiter auf 16 Prozent zurück, im Osten der Republik waren es etwas mehr. Mittlerweile haben Jugendliche in Ost und West ein ähnliches Interesse an Vorbildern, heißt es in der aktuellen Shell Studie "Jugend 2000". Im Gegensatz zu früher sind es laut Studie aber eher die weniger Gebildeten, die angeben, ein Vorbild zu haben.

Für viele ist es erstaunlich, dass Jugendliche bei Befragungen überhaupt noch Idole nennen. 1999 bezeichneten in einer Umfrage im Auftrag des Nachrichtenmagazins "Spiegel" 40 Prozent aller Jugendlichen Umweltgruppen wie Greenpeace als Idol, knapp dahinter Sportler wie Steffi Graf oder Michael Schumacher. Für viele überraschend: Religiöse Oberhäupter wie der Dalai Lama schnitten dabei besser ab als etwa der Schauspieler Leonardo DiCaprio.

In Forschung und Medien, die noch nach einem Etikett für die derzeitige Jugendgeneration suchen, ist oft von einer "postmodernen Beliebigkeit" oder einer "Patchwork-Jugend" die Rede. Man nimmt sich auf seinem Lebensweg, was gerade passt. "Alles ist möglich, und niemand bindet sich mehr auf Dauer", sagt der Hamburger Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski. "Es gibt keine Lebensidole mehr." Ganz anders sieht es jenseits der unerreichbaren Idole aus. Stars und Sternchen gibt es immer noch, wenn auch derzeit nicht in so deutlicher Präsenz wie Mitte der 90er Jahre, als Bands wie "Take That" über Monate hinweg in ganz Deutschland Massenhysterien auslösten. So stellt der Jugendforscher Jürgen Barthelmes vom Deutschen Jugendinstitut in München fest: "Jugendkulturen sind erst einmal Fan-Kulturen." In der Jugend, der Zeit der "großen und grenzenlosen Gefühle", sei es immer notwendig, sich von den Eltern abzugrenzen und einen eigenen Lebensweg zu finden. In diesem "emotionalen Chaos" entsteht eine Gefühlslücke und der Wunsch, seine Gefühle auszudrücken - und dafür sind Stars besonders wichtig. Musik wird so nicht nur um ihrer Qualität willen geschätzt, sondern kann für eine ganze Bandbreite an Gefühlen stehen, von Glück, Ärger, Wut, bis hin zum Hass.

Stars wie Leonardo DiCaprio sind häufig eine "Vor-Liebe", die vor der ersten wichtigen Partnerschaft kommt. "Der Star ist in der Tat ein "Liebes-Objekt", sagtBarthelmes. Erste sexuelle Gefühle kann der Fan ohne Angst erleben, da kein Partner wirklich etwas einfordert. Glück ist allein, seinem Star so nah wie möglich zu sein. "Bravo"-Leserin Maria schreibt, sie sei einer Ohmacht nahe gewesen, als Sasha sie bei einem Konzert berührte. "So sexy wie er ist keiner!"

Gerade in den Neunziger Jahren hat sich gezeigt, dass mit Musik und Fernsehen vielGeld bei den zwölf- bis 20-Jährigen zu verdienen ist. Die Zeit der Mega-Stars wie Madonna, Michael Jackson oder Mick Jagger gilt in der Branche allerdings als passé. "Die Fangemeinden werden kleiner", sagt Dieter Gorny, Chef des Musikkanals "Viva". Immer beliebter werden dagegen Darsteller aus den TV-Vorabendserien oder die "Jungs von nebenan", wie zum Beispiel die deutsche Boyband Echt aus Flensburg. Von einigen wenigen Ikonen abgesehen scheint der Trend zu vielen unterschiedlichen Stars (fast) zum Anfassen zu gehen.

Bei der Lektüre von "Bravo", verstärkt sich der Eindruck. Am Jahresanfang hat das Blatt ein neues Gesicht bekommen und will ein breiteres Themenangebot abdecken, das dem neuen, vermutlich kritischeren Jugendlichen entgegenkommen soll. Für den früheren Chefredakteur Jürgen Stollberg ist es aber irreführend, deswegen von einem "Star-Tal" zu reden. Es gebe heute "zahlenmäßig sogar mehr Stars, die jedoch einzeln nicht mehr die Breitenwirkung und damit auch zwangsläufig kleinere Fangemeinden haben."

Caroline Bock

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