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Stockholm: Startschuss für City-Maut

Überwiegend missmutig und vereinzelt sogar mit Sabotage haben die Stockholmer die neue City-Maut begrüßt. Die Stadtverwaltung will mit der so genannten "Drängelsteuer" den Verkehr auf den Einfallstraßen vermindern.

Stockholm - Wie die Polizei der schwedischen Hauptstadt mitteilte, versuchten Unbekannte in der Nacht erfolglos, eine der 18 Mautstationen vor der Inbetriebnahme um 6.30 Uhr in Brand zu setzen. Der Verkehr auf den Einfallstraßen in die fast völlig von Wasser umgebene Stockholmer City floss nach übereinstimmenden Angaben normal. Der wirkliche Belastungstest kommt jedoch erst am Montag, wenn die Schulferien zu Ende sind. Nach Oslo und London hat Stockholm als dritte europäische Hauptstadt ein Mautsystem für Autos in der Innenstadt eingerichtet.

Die Zeitung «Svenska Dagbladet» bildete am Dienstag auf ihrer Titelseite 16 Autofahrer ab, die sie gefragt hatte, ob sie für Fahrten ins Zentrum nun auf Bus oder Bahn umsteigen würden - 15 mal war die Antwort ein dick gedrucktes «Nein». Der Rundfunk ließ Mautgegner ausführlich zu Wort kommen, die in allen Details darlegen konnten, wie sie die insgesamt 162 Überwachungskameras austricksen wollen, etwa durch verdeckte Nummernschilder. Ausländer müssen sich mit solchen Problemen nicht herumschlagen: Autos mit ausländischen Kennzeichen sind von der Gebühr befreit.

Die sozialdemokratisch geführte Stockholmer Stadtverwaltung will mit der so genannten «Drängelsteuer» («Trängselsskatt») das hoffnungslose Gedränge von Autos auf den Einfallstraßen um bis zu 20 Prozent vermindern. Dafür werden vorerst bis zum 31. Juli werktags zwischen 6.30 und 18.30 Uhr Beträge zwischen zehn bis zwanzig Kronen (ein bis zwei Euro) erhoben. Die Spitzenzeiten des Berufsverkehrs sind am teuersten. Um Pendlern den Umstieg auf Bus oder Bahn zusätzlich schmackhaft zu machen, wurden 14 neue Buslinien eingerichtet, jetzt fahren auch deutlich mehr U-Bahnen und Nahverkehrszüge. Außerdem hat die Stadt Gratis-Parkplätze für Park-and-Ride-Verkehr von Vorortbahnhöfen geschaffen.

Die Kosten für den Testlauf betragen 3,8 Milliarden Kronen (400 Millionen Euro). Bei einem Referendum am 17. September entscheiden die Stockholmer in einem Zug mit Kommunal- und Reichstagswahlen dann selbst, ob die Maut eine Dauereinrichtung wird. Die Initiative für den Test ging von Schwedens Grünen aus, die als Mehrheitsbeschaffer den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Göran Persson sowie dessen Parteifreundin und Hauptstadtbürgermeisterin Annika Billström unter Druck setzen konnten.

Bei letzten Umfragen vor Beginn des Tests sprachen sich mehr als 60 Prozent der befragten Stockholmer gegen die Maut aus. Kritisch äußerten sich auch Datenschützer wegen der nach schwedischem Recht öffentlich zugänglichen Daten über Mautregistrierungen jedes einzelnen Autofahrers. Dies sei ein nicht akzeptabler Schritt in den Überwachungsstaat. Die Polizei will alle Daten aus den Überwachungskameras auch für Fahndungszwecke nutzen.

Als entscheidend für den Ausgang des Referendums in der mit 750.000 Einwohnern größten Stadt Schwedens gilt die Frage, ob der Straßenverkehr in den kommenden Monaten spürbar zurückgeht und ob gleichzeitig die öffentlichen Transportmittel die steigende Belastung gut verkraften.

Befürworter der Maut verweisen dabei stets auf das Beispiel London, wo bei der Einführung der City-Maut auch die Skepsis überwog. Weil der Verkehr deutlich abnahm und zugleich deutlich schneller wurde, ist die Gebühr in der britischen Metropole aber inzwischen weitgehend akzeptiert. (Von Thomas Borchert, dpa)

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