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Street Art: In den Straßen von Lissabon

Viel Altes und wenig Neues – dafür war Lissabon bekannt. Doch dann begann die Stadt, Street Art zu fördern.

In Berlin hat es funktioniert. Da haben Künstler Kreuzberger Brandmauern bemalt und auf diese Weise das Phänomen Street Art an der Spree etabliert. Einige Wandbilder sind Ikonen geworden: der riesige gelbe Mann am Schlesischen Tor oder die zwei Vermummten an der Cuvrystraße. Nun geht ausgerechnet Lissabon denselben Weg, diese prächtige Stadt, die für viel Altes und wenig Neues steht. Im August 2011 wurde der Stadt eine unerwartete Ehrung zuteil: Der renommierte Street-Art-Experte Tristan Manco kürte ein Wandgemälde im Geschäftsviertel Saldanha zu den zehn besten seiner Art in der Welt – in einer Reihe mit Werken von Keith Haring und Banksy. Die indirekte Botschaft: Vergesst Berlin und London, in Lissabon schlägt das Herz junger Street Art.

Auf dem gelobten Mural, so heißen die Bilder in der Fachsprache, sieht man einen überdimensionierten Straßenkämpfer und daneben einen Ölbaron, der die Welt leer saugt (Foto links in der unteren Reihe). Ermöglicht hat diese Arbeit auch das Kulturamt der portugiesischen Hauptstadt. Silvia Camara arbeitet in dieser Abteilung, sie ist mit dafür verantwortlich, auf welchen Fassaden Motive entstehen oder welche Künstler sechs Monate lang die malerische Calçada da Glória besprühen dürfen – eine steile Straße, an der sich eine Straßenbahn von der Unterstadt in das enge Bairro Alto hinaufächzt.

Graffiti gab es bereits seit Langem, erzählt sie. Nach wie vor findet man überall in der Stadt kleine oder große Straßenkunst. Wie in Berlin suchte man einen Weg, diese Ausdrucksform offiziell aufzufangen. „Das Umdenken hat 2008 angefangen“, sagt Camara, als MTV und die Stadt eine Kooperation eingingen, um nahe der Bahn eine Ausstellung unter freiem Himmel zu organisieren. Der Zuspruch war so groß, dass die Stadt nicht nur die Flächen erhielt, sondern 2010 das Crono-Projekt ins Leben rief. Das setzt sich ausschließlich für die Verschönerung heruntergekommener Fassaden ein.

Und es gibt viele Häuser, die so eine Aufhübschung dringend benötigen. Zum einen, weil sich die Eigentümer den Unterhalt aufgrund der wirtschaftlichen Notlage nicht mehr leisten können. Andererseits verbietet der Denkmalschutz einen Abriss und verordnet bei Renovierung strenge Auflagen. Die Preise für solche Immobilien rutschen in den Keller – und die Häuser verwahrlosen. So wie in Saldanha, wo Street-Art-Künstler drei Gebäude aus dem 19. Jahrhundert verschönerten. Nun kommen sogar Touristen, um zu sehen, wie die Gegend mit moderner Kunst aufblüht. Dass sich das am Ende für die Eigentümer auszahlt, will Silvia Camara nicht wissen. Nur: Eine optische bringt oft eine wirtschaftliche Aufwertung mit sich. Das hat das Beispiel Kreuzberg bewiesen.Ulf Lippitz

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